Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Verfahrensgebühr. Anrechnung von auf die Geschäftsgebühr geleistete Zahlungen. Bestimmung der Gebührenhöhe. Berücksichtigung von Synergieeffekten bei Bearbeitung ähnlich gelagerter Angelegenheiten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Festsetzung der Vergütung eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts sind nur vom erstattungspflichtigen Dritten tatsächlich auf die Geschäftsgebühr geleistete Zahlungen auf die Verfahrensgebühr Nr 3102 VV RVG (juris: RVG-VV) anzurechnen.
2. Eine Anrechnung findet auch nach dem bis zum 31.12.2020 geltenden Vergütungsrecht nicht statt, wenn der Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr in Ausübung seines Wahlrechts nach § 15a Abs 1 RVG in voller Höhe fordert und die auf die Geschäftsgebühr tatsächlich geleisteten Zahlungen den um den Anrechnungsbetrag nach Vorbem 3 Abs 4 VV RVG bereinigten Betrag der entstandenen Geschäftsgebühr nicht übersteigen.
3. Bei Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind Synergieeffekte zu berücksichtigen, die daraus resultieren, dass der Rechtsanwalt für denselben Auftraggeber in mehreren Angelegenheiten tätig wird, die ähnlich gelagerte Gegenstände betreffen. Diese Synergieeffekte wirken sich umso eher aus, je ähnlicher die für den Auftraggeber erledigten Angelegenheiten sind und je mehr der Rechtsanwalt auf Arbeitsergebnisse aus den anderen Mandaten dieses Auftraggebers zurückgreifen kann.
Tenor
Die Beschwerde des Erinnerungsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten wegen der Bewertung von Synergieeffekten bei mehrfacher Vertretung und wegen der Anrechnung für das Widerspruchsverfahren erstatteter Rechtsanwaltskosten über die Höhe der der Erinnerungsführerin aus der Landeskasse zu zahlenden Vergütung.
Die Erinnerungsführerin war den Klägern des Ausgangsverfahrens, einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern, die eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bildeten, im Klageverfahren zum Az. S 9 AS 529/13 im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. Die Klage hatte die Erinnerungsführerin für die Kläger mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2013 erhoben. Gegenstand des Verfahrens war die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen für die Heizung aufgrund der Heizkostenabrechnung des Vermieters vom 18. April 2013 für das Abrechnungsjahr 2012. Außerdem war die Erinnerungsführerin den Klägerinnen in weiteren Klageverfahren als Prozessbevollmächtigte beigeordnet, nämlich in den Verfahren S 9 AS 309/12 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Aufwendungen für die Heizung im Zeitraum März bis August 2012), S 9 AS 539/13 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Bedarfe für die Heizung im Zeitraum Mai bis August 2013) und S 9 AS 679/13 (Streitgegenstand: Höhe der Leistungen, speziell der Bedarfe für die Heizung im Zeitraum September 2013 bis Februar 2014). Die Klage zum Az. S 9 AS 309/12 nahm die Erinnerungsführerin für die Kläger auf gerichtlichen Hinweis „wegen doppelter Rechtshängigkeit“ zurück. In dem Verfahren zum Az. S 9 AS 529/13 wurde ein schriftlicher Vergleich, in den verbleibenden zwei Verfahren in einem späteren Termin zur mündlichen Verhandlung ein Vergleich zu Protokoll des Gerichts geschlossen.
Im Verfahren zum Az. S 9 AS 529/13 beantragte die Erinnerungsführerin nach Abschluss des Verfahrens am 13. Oktober 2016 die Festsetzung ihrer Vergütung aus der Landeskasse in Höhe von 1.273,30 EUR. Sie bestimmte die Verfahrensgebühr inklusive der Gebührenerhöhungen für zwei weitere Auftraggeber in Höhe von 480,00 EUR (Mittelgebühr), eine Terminsgebühr (fiktiv) in Höhe von 270,00 EUR (90 Prozent der Mittelgebühr), sowie eine Einigungsgebühr in Höhe von 300,00 EUR (Verfahrensgebühr ohne Gebührenerhöhungen) und berechnete zusätzlich die Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Umsatzsteuer.
Mit Festsetzungsbeschluss vom 17. November 2016 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vergütung zunächst antragsgemäß fest. Nachdem die Erinnerungsführerin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2017 angezeigt hatte, dass der Beklagte des Ausgangsverfahrens Kosten des Widerspruchsverfahren in Höhe von 96,15 EUR (20 Prozent der bestimmten Vergütung in Höhe von 480,76 EUR gemäß Kostenquote aus dem gerichtlichen Vergleich) erstattet habe, änderte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Festsetzungsbeschluss vom 17. November 2016 mit Beschluss vom 22. Juni 2017 ab und setzte die Vergütung der Erinnerungsführerin auf 1.227,60 EUR neu fest und rechnete dabei die gezahlte Geschäftsgebühr (netto 76,80 EUR) zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr an.
Gegen diesen Beschluss hat zunächst die Erinnerungsführerin am 27. Juni 2017 Erinnerung eingelegt und die hälftige Anrechnung der gezahlten Geschäftsgebühr beanstandet. Sie hat geltend gemacht, d...