Orientierungssatz
1. Eine Haft- bzw Untersuchungshaftanstalt ist keine stationäre Einrichtung iS von § 7 Abs 4 SGB 2.
2. Nach § 13 SGB 12 sind stationäre Einrichtungen solche, in denen Leistungsberechtigte leben, die erforderlichen Hilfen erhalten und die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach SGB 12 zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen.
3. Ein beigeladener Leistungsträger nach dem SGB 2 kann nicht in analoger Anwendung von § 75 Abs 5 SGG verpflichtet werden.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 23. August 2005 geändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Die außergerichtlichen Kosten auch der Beigeladenen sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt H., L., gewährt.
Gründe
Die von der Antragsgegnerin am 6. September 2005 erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 23. August 2005 mit dem sinngemäßen Antrag,
den Beschluss vom 23. August 2005 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen,
hat Erfolg.
Allerdings hat das Sozialgericht Schleswig in dem angegriffenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass Untersuchungshäftlinge einen Anspruch auf ein Taschengeld von monatlich 30,00 € haben.
Der Anspruch ist aber nicht gegen die Antragsgegnerin gerichtet. Diese ist nicht die zuständige Leistungserbringerin, denn der Anspruch auf Taschengeld für Untersuchungshäftlinge richtet sich nicht nach dem Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Nach § 21 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Der Antragsteller ist grundsätzlich erwerbsfähig, kann eine Arbeit jedoch nach Bescheinigung der Untersuchungshaftanstalt aus Sicherheitsgründen oder weil keine geeignete Arbeit vorhanden ist, nicht wahrnehmen. Als Erwerbsfähiger richtet sich sein Taschengeldanspruch nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Nach § 7 Abs. 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Ein Leistungsausschluss erfolgt auch nicht nach § 7 Abs. 4 SGB II. Nach dieser Vorschrift erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Zu den stationären Einrichtungen gehört eine Justizvollzugs- oder eine Untersuchungshaftanstalt nicht (so für das BSHG: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12. Oktober 1993 - 5 C 38/92 -, FEVS 44, S. 225; OVG Lüneburg, Urteil vom 13. Mai 1992 - 4 L 149/90 -, FEVS 43, S. 241). Hieran hat sich seit Geltung des SGB II und des SGB XII nach Auffassung des beschließenden Senats nichts geändert. Zwar findet sich im SGB II keine Definition, was unter stationären Einrichtungen zu verstehen ist. Mangels einer Definition des Begriffs "stationäre Einrichtungen" im SGB II kann eine Definition nur in anderen Gesetzen gesucht werden. Damit kommt hier § 13 SGB XII in Betracht (so Linhardt u.a., Kommentar zum SGB II, § 7, Rdnr. 77; so offenbar auch Hauck u.a., Kommentar zum SGB II, § 7, Rdnr. 28).
Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind stationäre Einrichtungen solche, in denen Leistungsberechtigte leben und die erforderlichen Hilfen erhalten. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift sind Einrichtungen alle diejenigen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen. Justizvollzugsanstalten dienen weder der Behandlung oder der Erziehung, noch leisten sie eine erforderliche Hilfe für Hilfebedürftige. Demzufolge gehören zu Einrichtungen in diesem Sinne nicht Strafanstalten (Wahrendorf in Grube u.a., Kommentar zum SGB XII, § 13, Rdnr. 7; SG Nürnberg, Beschluss vom 9. Mai 2005 -S 20 SO 106/05 ER-). Das folgt auch aus den Motiven des Gesetzgebers, denn dieser wollte eine Harmonisierung des Sprachgebrauchs mit dem SGB XII, und er wollte klarstellen, „dass Personen, die endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und Rente wegen Alters beziehen, nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden" (BT-Drucksache 15/1749, S. 31 zu § 7 Abs. 4). Personen, die grundsätzlich arbeitsfähig sind, wie der Antragsteller, sollten danach nicht aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 4 dieses Gesetzes herausfallen.
Da der Antragsteller zu den Leistungsberechtigten nach dem SGB II gehört, ist zuständiger Leistungsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II die Bundesagentur für Arbeit, hier die Beigeladene. Die Beigeladene kann aber nach Auffassung des beschließenden Senats nicht zu Leistungen verpflichtet werden. Dem ste...