Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewährung von Krankenversicherungsschutz durch einstweilige Anordnung. Empfänger von Leistungen nach dem SGB 12

 

Orientierungssatz

1. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Eilbedürftigkeit der Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verlangt, dass es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, den Abschluss des Hauptsacheverfahrens abzuwarten.

2. Wird mit dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz die Aufnahme in die Krankenversicherung (KV) als freiwillig Versicherter und die Gewährung entsprechender Leistungen der KV begehrt und gehört der Antragsteller zu den Empfängern von Leistungen nach dem 3. und 5. bis 9. Kapitel des SGB 12, so fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund, weil dieser Antragsteller Versicherungsschutz nach § 264 Abs 2 SGB 5 hat.

3. Zweck des vorläufigen Rechtsschutzes ist, durch Eilentscheidung schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile des Betroffenen zu verhindern. Deshalb ist das wirtschaftliche Interesse eines vor- oder nachrangigen Sozialleistungsträgers an der gerichtlichen Entscheidung unbeachtlich.

4. Der vor- oder nachrangig zuständige Leistungsträger hat als Beigeladener die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im EA-Verfahren dann zu tragen, wenn er die Antragstellung bewirkt und den Antragsteller nicht auf die Möglichkeit der Krankenhilfe und derjenigen nach § 264 Abs 2 SGB 5 hingewiesen hat.

 

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 11. August 2006 aufgehoben.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Kosten für beide Instanzen trägt die Beigeladene.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Aufnahme in die gesetzliche Krankenversicherung als freiwillig Versicherte und Gewährung entsprechender Leistungen der Krankenversicherung.

Die 1963 geborene Antragstellerin bezog vom 1. Januar 2005 bis 31. April 2006 Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) vom Jobcenter Kiel und war während dieses Zeitraums bei der Antragsgegnerin pflichtversichert. Die Aufhebung der Leistungen nach dem SGB II erfolgte durch Bescheid des Jobcenters Kiel vom 3. April 2006 mit Wirkung vom 1. Mai 2006. Zur Begründung war der Wegfall der Erwerbsfähigkeit angegeben. Auf Grund ihres Antrags vom 29. März 2006 gewährte die Beigeladene der Antragstellerin mit Bescheid vom 12. April 2006 laufende Leistungen nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) - Drittes Kapitel (Hilfe zum Lebensunterhalt) -. Mit Schreiben vom 11. April 2006 hatte die Beigeladene die Antragsgegnerin um Übersendung eines Antrags auf freiwillige Weiterversicherung gebeten, da die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht in der Lage sei, den Antrag persönlich zu stellen. Die Antragsgegnerin nahm Ermittlungen insbesondere zu der Frage auf, ob, und wenn ja ab wann Erwerbsfähigkeit bei der Antragstellerin vorlag. Von der Beigeladenen erhielt sie Anfang Mai 2006 den von der Antragstellerin unterschriebenen Antrag auf freiwillige Mitgliedschaft. Mit Schreiben vom 23. Mai 2006 erklärte sich die Beigeladene der Antragsgegnerin gegenüber bereit, Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung ab Mai 2006 zu übernehmen. Mit Schreiben vom 17. Juli 2006 wies die Beigeladene die Antragstellerin darauf hin, dass die Antragsgegnerin immer noch nicht über den Antrag auf freiwillige Krankenversicherung entschieden habe. Da sie zur Zeit ohne Krankenversicherungsschutz sei, werde sie gebeten, bei Gericht im Wege der einstweiligen Anordnung zu erwirken, dass die Antragsgegnerin sie vorläufig bis zur bestandskräftigen Entscheidung über eine freiwillige Versicherung als freiwillig Versicherte führe und Leistungen der Krankenversicherung gewähre. Sie solle ihr Tätigwerden bis zum 26. Juli 2006 nachweisen und sie über den aktuellen Sachstand informieren.

Am 31. Juli 2006 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Schleswig die vorläufige Aufnahme als freiwilliges Mitglied und die Gewährung von Leistungen der Krankenversicherung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Sie hat zur Begründung auf das Schreiben der Beigeladenen vom 17. Juli 2006 hingewiesen und darauf, dass sie auf Grund ihres Gesundheitszustandes dringend auf Krankenversicherungsleistungen angewiesen sei. Sie sei nämlich gezwungen, erneut eine psychotherapeutische Behandlung zu beginnen, da sie unter schweren Depressionen leide. Des Weiteren habe sie schwere chronische Schmerzen auf Grund eines Knochenleidens. Ein Anordnungsanspruch bestehe. Sie habe nämlich die für die freiwillige Versicherung notwendige Vorversicherungszeit durch den Bezug der Leistungen nach dem SGB II erlangt.

Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, dem Anordnungsanspruch stehe entgegen, dass nach der Neufassung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) ein Anspruch auf freiwillige Versicherung nicht ...

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