Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung zugeflossener Einnahmen auf Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Zugeflossenes Einkommen ist nach §§ 9, 11 SGB 2 auf zu bewilligende Leistungen der Grundsicherung anzurechnen, wenn es zur Sicherung des Lebensunterhalts zur Verfügung steht. Kindergeld zählt zum laufenden Einkommen und ist nach § 11 Abs. 2 S. 1 SGB 2 im Monat des Zuflusses zu berücksichtigen. Dagegen entsteht eine Verpflichtung zur Rückzahlung erst nach dem Monat des Zuflusses. In diesem Fall verbleibt es für den Zuflussmonat bei der Berücksichtigung als Einkommen (BSG Urteil vom 23. 8. 2011, B 14 AS 165/10 R).
2. Laufende Zahlungen sind im Zuflussmonat als Einkommen nach § 11 Abs. 2 S. 1 SGB 2 zu berücksichtigen, wenn eine Verpflichtung zur Rückzahlung erst nach dem Monat des Zuflusses entsteht. Dies gilt nur dann nicht, wenn das zugeflossene Einkommen bereits im Zeitpunkt des Zuflusses mit einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet ist.
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Lübeck vom 29. März 2017 werden zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für die Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in der Hauptsache um die leistungsrechtlichen Folgen der Rückforderung von Kindergeld.
Mit Bescheid vom 15. Mai 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. Juli 2014 und 2. Oktober 2014 bewilligte der Beklagte den Klägern und ihren beiden 2006 und 2011 geborenen Kindern für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 12. November 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. Dezember 2014, 3. März 2015 und 26. März 2015 erfolgte eine Weiterbewilligung für die Monate Dezember 2014 bis Mai 2015. Für die Zeit bis Ende Februar 2015 rechnete der Beklagte das für beide Kinder gezahlte Kindergeld (insgesamt 368,00 EUR monatlich) als Einkommen der Kinder an. Der Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2014 betraf die Erhöhung der Regelsätze ab Januar 2015. Mit Änderungsbescheid vom 3. März 2015 erhöhte der Beklagte die bewilligten Leistungen ab März 2015 um jeweils 368,00 EUR, nachdem die Kindergeldzahlung eingestellt worden war. Der Änderungsbescheid vom 26. März 2015 betraf die Leistungshöhe ab Dezember 2014 aufgrund eines Mehrbedarfs wegen Schwangerschaft der Klägerin zu 2. .
Mit Bescheid vom 4. Februar 2015 - gerichtet an den Kläger zu 1. - hob die Familienkasse die erfolgten Kindergeldfestsetzungen für die Monate September 2014 bis Februar 2015 auf und forderte die Erstattung geleisteten Kindergeldes in Höhe von 2.208,00 EUR. Zur Begründung führte die Familienkasse aus, dass der Kläger zu 1. die Voraussetzungen nach § 62 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht erfülle. Mit anwaltlichem Schreiben vom 26. März 2015 forderte der Kläger zu 1. den Beklagten auf, das Kindergeld zu tragen und an die Familienkasse zu erstatten. Gleichzeitig legte er vorsorglich “gegen sämtliche Bescheide„ Widerspruch ein und beantragte höchst vorsorglich die Überprüfung bzw. Neufestsetzung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zur Begründung machte er unter Bezugnahme auf eine Mitteilung der Familienkasse an den Beklagten vom 3. März 2015 sinngemäß geltend, dass das Kindergeld aufgrund der rückwirkenden Aufhebung und Rückforderung durch die Familienkasse nicht bedarfsmindernd habe angerechnet werden dürfen; die Forderung der Familienkasse sei insofern durch den Beklagten zu begleichen. Anderenfalls müsse eine Neuberechnung der Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Kindergeldes erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, dass die Anrechnung rechtsfehlerfrei erfolgt sei, weil das Kindergeld in den jeweiligen Monaten zugeflossen sei. Die Anrechnung habe nach § 11 SGB II unabhängig von einer späteren Rückforderung erfolgen müssen. Hiergegen haben die Kläger am 13. Mai 2015 bei dem Sozialgericht Lübeck zum Az. S 29 AS 463/15 Klage erhoben, mit der sie unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen beantragen,
1. den Bescheid des Beklagten vom 12. November 2014 in Form der Änderungsbescheide vom 30. November 2014, 3. März 2015 und 26. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2015 aufzuheben,
2. den Beklagten zu verpflichten, den Klägern Leistungen ohne die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen zu bewilligen und auszuzahlen.
Mit der Klageschrift haben die Kläger einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten gestellt. Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide,
die Klage abzuweisen.
Mit weiterem Bescheid vom 1. April 2015 - gerichtet an den Kläger zu 1. - lehnte der Beklagte den Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 15. Mai, 1. Juli und 2. Oktober 2014 ab und führte zur Begründung aus, dass die benannten Bescheide nicht zu beanst...