Entscheidungsstichwort (Thema)

Unverwertbarkeit eines medizinischen Gutachtens. Vergütung des Sachverständigen

 

Orientierungssatz

1. Ein unverwertbares Gutachten löst keinen Vergütungsanspruch nach § 8 JVEG aus.

2. Unverwertbarkeit liegt vor, wenn das Gutachten trotz Bemühungen um Nachbesserung die Beweisfragen nicht beantwortet oder die Ausführungen auch von einem bemühten Leser nicht zu verstehen sind.

3. Das Fehlen wesentlicher Gutachtenteile kann im Einzelfall zur Unverwertbarkeit führen.

4. Sind sprachliche Unklarheiten, methodische Unsicherheiten oder sonstige Mängel ausräumbar, führt dies kostenrechtlich nicht zur Unverwertbarkeit.

 

Tenor

Der Beschwerdeführer ist mit insgesamt 788,10 EUR zu vergüten.

 

Gründe

Der Beschwerdeführer beanstandet die Festsetzung seiner Vergütung für die Tätigkeit als medizinischer Sachverständiger. Der Beschwerdeführer wurde in den Verfahren A., F., A., D., Y. und de B. mit der Erstellung neurologisch-psychiatrischer Gutachten beauftragt. Seine Kostenrechnung vom 18. März 2007 über 1.023,00 EUR sowie 100,00 EUR für die detaillierte Rechnungslegung akzeptierte die Kostenbeamtin des Sozialgerichts nicht, weil die Gutachten unverwertbar seien (Schreiben vom 7. Mai 2007). Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin richterliche Festsetzung, die durch Beschluss vom 9. Januar 2008 erfolgte und die Vergütung auf insgesamt 183,10 EUR festsetzte. Hiergegen erhob der Beschwerdeführer am 12. März 2008 Beschwerde, die er nicht weiter begründete.

Auf den Inhalt der beigezogenen Streitakten sowie auf die Akte S 11 AR 35/07 SK - L 1 B 89/08 SK und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze wird verwiesen.

Die Beschwerde ist nach § 4 Abs. 3 bis 5 JVEG zulässig. Sie ist teilweise begründet.

Unstreitig stehen dem Beschwerdeführer für die Streitverfahren A. und F. 31,10 EUR und 52,00 EUR als Vergütung zu. Im Übrigen ist entscheidend, ob die Gutachten unverwertbar sind und ob der Sachverständige die Unverwertbarkeit schuldhaft verursacht hat (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht v. 6. Oktober 2006 - 15 WF 244/06; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 8 JVEG Rz. 8 m.z.N.). Unverwertbarkeit liegt vor, wenn das Gutachten für die Beantwortung der Beweisfragen in keiner Weise eine Grundlage bilden kann oder wenn die Schlussfolgerungen des Sachverständigen auch von einem bemühten Auftraggeber nicht zu verstehen sind. Die Unverständlichkeit kann sich aus Stil und Sprache der Darstellung, aber auch aus dem Fehlen wesentlicher Gutachtenteile ergeben. Was zu den wesentlichen Gutachtenteilen gehört, hängt vom Einzelfall und von der Aufgabenstellung ab. Wesentliche Gutachtenteile können bei sozialmedizinischen Fragestellungen u. a. sein: Die Auseinandersetzung mit der Aktenlage, die Anamnese, die Biographie, die Beschwerdeschilderungen, die Darstellung der Befunderhebung auf klinischem oder labortechnischem Gebiet, die Diagnose, die Prognose, ggf. Therapieempfehlungen, die Erörterung von Kausalzusammenhängen, die Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Literatur und Vorgutachten, die Beantwortung sozialmedizinischer Fragen. Je nach Aufgabenstellung können Teile dieser Aufzählung entfallen oder sind umfangreicher als andere zu bearbeiten. Keinesfalls führen sprachliche Unklarheiten, methodische Unsicherheiten oder ausräumbare Mängel zur Unverwertbarkeit, sonst wäre § 411 Abs. 3 ZPO überflüssig.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die vom Beschwerdeführer erstatteten Gutachten wie folgt zu beurteilen, wobei hiermit ausdrücklich keine Bewertung der inhaltlichen Qualität erfolgt:

1. Streitverfahren A.:

Der Beschwerdeführer sollte in diesem Verfahren Stellung dazu nehmen, ob sich die bereits anerkannten Behinderungen der Klägerin seit Februar 2005 verschlechtert hätten. In seinen Ausführungen ist zunächst die Aktenlage wiedergegeben. Es folgen eine eigene und eine biografische Anamnese sowie ein körperlicher, ein neurologischer und ein seelischer Untersuchungsbefund, wobei eine Dolmetscherin übersetzt hat. Die Diagnose lautete: “Depression im Klimakterium und beginnendes Postklimakterium.„ Zum GdB ist angegeben, dass dieser zwischen 40 und 50 v. H. liege.

Mit diesen Ausführungen auf 15 Seiten liegen alle wesentlichen Teile eines Gutachtens vor. Zwar ist der GdB-Vorschlag ungenau. Es ist aber ersichtlich, dass der Beschwerdeführer ihn nicht höher als bisher einschätzte. Insofern hätte das Problem der wesentlichen Verschlimmerung seit Februar 2005 durch eine richterliche Nachfrage geklärt werden können. Die Kriterien der Unverwertbarkeit sind nicht erfüllt.

2. Streitverfahren de B.:

In diesem Verfahren ging es darum, die Behinderungen des Klägers festzustellen. Nach einer kurzen Schilderung der Aktenlage befasst sich der Teil “Gutachten„ mit Schilderungen der vom Kläger angegebenen Beschwerden. Es schließt sich eine biografische Anamnese an; darauf folgen eine Allgemeinuntersuchung und eine neurologische Untersuchung mit Befundangaben. Der psychische Befund endet mit der Diagnose eines “vital-depressiven Syn...

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