Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz bei Erstattungsbescheiden im SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, hat keine aufschiebende Wirkung. Davon erfasst wird auch die Erstattung zu Unrecht gewährter Leistungen.

2. Das Gericht hat bei einer Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anzuordnen ist, kein Entschließungsermessen, sondern lediglich ein Auswahlermessen hinsichtlich der Nebenentscheidungen i. S. des § 86 b Abs. 1 S. 3 SGG.

3. Ein im Bereich des SGB 2 ergangener, gegenüber dem Antragsteller adressierter Erstattungsbescheid erfasst alle Mitglieder der von ihm vertretenen Bedarfsgemeinschaft und ist damit rechtswirksam gegenüber allen Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Mai 2006 aufgehoben, soweit darin die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 26. April 2006 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 festgestellt worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unzulässig verworfen.

Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen eine Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Antragsgegnerin.

Die Antragstellerin bezog seit dem 1. Januar 2005 für sich und ihre beiden Kinder, ab 1. Januar 2006 auch für ihren Partner von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Auf dem mit ihrem Leistungsantrag vom 30. August 2004 eingereichten Zusatzblatt 2 erklärte und bestätigte sie durch Unterschrift, dass sie von dem Vater ihrer beiden Kinder 244,00 € Unterhalt monatlich erhalte. Ein entsprechender Zahlungseingang ergab sich auch aus dem beigefügten Kontoauszug vom 9. September 2004. In ihren Fortzahlungsanträgen erklärte die Antragstellerin jeweils, es seien insoweit keine Änderungen eingetreten. Die Beklagte legte deshalb ihren Berechnungen jeweils Unterhaltsleistungen in Höhe von 244,00 € zugrunde (Bescheide vom 9. Juni 2005 und vom 15. Dezember 2005).

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache am 9. Februar 2006 erwähnte die Antragstellerin erstmals, dass sie seit Januar 2005 Unterhaltszahlungen in Höhe von 440,00 € monatlich erhalten habe. Die hierzu auf Verlangen der Antragsgegnerin vorgelegten Kontoauszüge wiesen Zahlungseingänge in dieser Höhe aus. Mit Bescheid vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 hob deshalb die Antragsgegnerin die Bewilligungsentscheidungen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. März 2006 teilweise und für die Zeit ab 1. April 2006 ganz auf und forderte den als zu Unrecht gezahlt angesehenen Betrag in Höhe von 2.688,08 € zurück. Zur Begründung bezog sie sich auf §§45 und 50 SGB X.

Wegen dieser Bescheide hat die Antragstellerin am 26. April 2006 Klage bei dem Sozialgericht Schleswig (Aktenzeichen S 5 AS 665/06) erhoben und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Die Falschberechnungen der Antragsgegnerin seien nicht ihr anzulasten. Sie habe stets zutreffende Angaben gemacht und guten Glaubens von der Richtigkeit der Bewilligungen ausgehen dürfen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 anzuordnen,

2. und ihr für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Anträge abzulehnen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die Begründungen der beanstandeten Bescheide bezogen.

Mit Beschluss vom 10. Mai 2006 hat das Sozialgericht - unter Ablehnung des Antrages im Übrigen - festgestellt, dass die Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 26. April 2006 , gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2006 insoweit aufschiebende Wirkung habe, als die Antragstellerin zur Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 2.688,08 € aufgefordert werde. Hierfür hat es der Antragstellerin Prozesskostenhilfe gewährt. Auf die Beschlussgründe wird verwiesen.

Gegen diesen am 12. Mai 2006 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 12. Juni 2006 eingegangenen Beschwerde, welcher das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung trägt sie vor: Die Auffassung des Sozialgerichts, dass die Erstattungsentscheidung nach § 50 SGB X nicht durch § 39 Nr. 1 SGB II erfasst werde mit der Folge, dass eine hiergegen gerichtete Anfechtungsklage gemäß § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG aufschiebende Wirkung habe, sei nicht zutreffend. Über Leistungen werde auch entschieden, wenn der Betroffene verpflichtet werde, sie zurückzuzahlen. Die Rechtm...

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