Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Arbeitnehmerüberlassung. Beitragsnachforderung aufgrund von equal-pay Ansprüchen nach der CGZP-Entscheidung des BAG vom 14.12.2010. Aussetzung der Vollziehung eines Beitragsbescheides. Ausschluss von rückwirkenden Beitragsnachforderungen wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP aus Vertrauensgesichtspunkten

 

Orientierungssatz

Unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes und unabhängig von der nunmehr rechtskräftig festgestellten Tarifunfähigkeit der Christlichen Gewerkschaft für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) auch für die Vergangenheit (vgl BAG vom 23.5.2012 - 1 AZB 58/11 = BAGE 141, 382) sprechen - zumindest beim einstweiligen Rechtsschutz - "erhebliche Gründe" dafür, rückwirkende Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen wegen der Tarifunfähigkeit der CGZP auszuschließen.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 28. März 2012 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 52.928,56 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 5. Januar 2012.

Die Antragstellerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ein Unternehmen im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung. Sie verfügt über eine Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). In den Arbeitsverträgen der von ihr beschäftigten Leiharbeitnehmer wird auf den Entgelttarifvertrag zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und den Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) verwiesen. Auf Basis der dort vorgesehenen Vergütungen wurden Beiträge für die beschäftigten Leiharbeitnehmer zur Sozialversicherung gezahlt.

In der Zeit vom 15. November 2011 bis 5. Januar 2012 führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung für die Zeit vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2009 durch. Eine Prüfung dieses Zeitraumes, bzw. bis zum 31. Dezember 2008, war bereits vorab durch die Antragsgegnerin erfolgt. In diesem Zusammenhang wurde von der Antragstellerin mit Beitragsbescheid vom 20. März 2009 eine Nachforderung von 30,97 EUR eingefordert.

Anlass für die erneute Überprüfung war eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14. Dezember 2010 (1 ABR 19/10), die die Feststellung der Vorinstanzen, wonach die CGZP nicht tariffähig sei, bestätigt hatte. Nach Anhörung forderte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin mit Bescheid vom 5. Januar 2012 Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von insgesamt 158.785,67 EUR für den Prüfzeitraum nach. Zur Begründung wies sie auf die Entscheidung des BAG zur Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge hin. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 AÜG, wonach Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb sei. In dem Unternehmen der Antragstellerin seien diverse Arbeitnehmergruppen betroffen. Bei der Differenz sei von den Angaben der Antragstellerin ausgegangen worden.

Gegen den Bescheid erhob die Antragstellerin Widerspruch. Das BAG habe in seiner Entscheidung vom 14. Dezember 2010 lediglich gegenwartsbezogen die Tarifunfähigkeit festgestellt, nicht jedoch für die Vergangenheit. Vertrauensschutzgründe sprächen ebenfalls dafür, die Tarifunfähigkeit nicht auf die Zeit vor der Entscheidung des BAG zugrunde zu legen. Dies käme einer unzulässigen echten Rückwirkung gleich und verstieße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Für das Jahr 2007 werde die Einrede der Verjährung erhoben, da von einem vorsätzlichen Verhalten der Antragstellerin nicht ausgegangen werden könne. Die Antragsgegnerin habe auch gegen das Gebot der Amtsermittlung verstoßen und hinsichtlich der Beitragshöhe Schätzungen angestellt. Das Sozialgericht Hamburg habe im Übrigen aufschiebende Wirkung gewährt.

Mit im Wesentlichen gleichen Schreiben hat die Antragstellerin am 31. Januar 2012 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Beitragsbescheid beantragt. In einem weiteren Schriftsatz hat sie zur Begründung ergänzend ausgeführt: Die Frage der Tariffähigkeit sei nicht automatisch mit der Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung im Sozialversicherungsrecht gleichzusetzen. So habe das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 18. November 1980 (12 RK 59/79) grundlegend klargestellt, dass eine Beitragsnachforderung nicht gegen Treu und Glauben verstoßen dürfe. Das sei hier jedoch der Fall, da das BAG mit den jetzt aufgestellten tarifrechtlichen Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation, insbesondere das Erfordernis der absoluten Deckungsgleichheit der Zuständigkeitsbereiche der Spitzenorganisationen und der Spitzenverbände, nich...

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