Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung von Prozesskostenhilfe in einem Überprüfungsverfahren bei Anhängigkeit eines landessozialgerichtlichen Parallelverfahrens
Orientierungssatz
1. Die Bewilligung von PKH ist dann zu versagen, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig erscheint. Das ist u. a. dann der Fall, wenn der Prozessgegner in einem gegen die Ablehnung eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB 10 geführten Widerspruchsverfahren angeboten hat, dieses ruhend zu stellen und die Entscheidung des zuständigen Landessozialgerichts im einschlägigen Rechtsstreit abzuwarten.
2. In einem Verfahren über die abstrakte Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB 2 ist es dem Kläger zumutbar, den Ausgang eines gleichgelagerten landessozialgerichtlichen Verfahrens als sog. Musterverfahren abzuwarten. Dies gilt insbesondere dann, wenn es um die Überprüfung einer bestandskräftigen Bewilligungsentscheidung nach § 44 SGB 10 geht.
3. Je weniger es um die Deckung des aktuellen Bedarfs geht, desto eher ist es dem Rechtsschutzsuchenden zuzumuten, die Entscheidung in einem gleichgelagerten Parallelverfahren auch ohne die konkrete Zusicherung der Übernahme des dortigen Verfahrensergebnisses abzuwarten.
4. In einem solchen Fall ist die Bewilligung von PKH zu versagen, weil ein bemittelter Prozessbeteiligter, der sein Prozessrisiko vernünftig berücksichtigen würde, von einer Klageerhebung vorerst absehen würde.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 20. August 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die vom Kläger beantragte und vom Sozialgericht Kiel mit Beschluss vom 20. August 2014 abgelehnte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 36 AS 796/13, mit dem der Kläger die Ablehnung eines auf höhere Leistungen für die Unterkunft für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 30. September 2013 gerichteten Überprüfungsantrags angreift.
Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt: Die Rechtsverfolgung sei mutwillig, weil der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 23. Mai 2013 angeboten habe, das seinerzeit gegen die Ablehnung des Überprüfungsantrags geführte Widerspruchsverfahren ruhend zu stellen und eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts in bereits dort anhängigen Rechtsstreitigkeiten wegen der Mietobergrenze der Landeshauptstadt Kiel abzuwarten. Die Fortsetzung des eigenen Verfahrens biete gegenüber dieser Verfahrensweise keine erkennbaren tatsächlichen oder rechtlichen Vorteile.
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die Klageerhebung nicht mutwillig sei, da die Ruhendstellung des Widerspruchsverfahrens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Landessozialgerichts insbesondere im Verfahren L 6 AS 10/13 ZVW für ihn keine zumutbare Alternative zur Erreichung seines Rechtsschutzziels bedeute, zumal zur Zeit des Widerspruchsverfahrens und auch noch im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht habe ausgeschlossen werden können, dass in den beim Landessozialgericht anhängigen Verfahren gar keine grundsätzlichen Aussagen zur abstrakten Angemessenheitsgrenze getroffen würden. Außerdem hätte die Zustimmung zum Ruhen einem möglichen gerichtlichen Eilverfahren die Grundlage entzogen.
II.
Die fristgerecht erhobene (vgl. § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist - trotz Unterschreitung der Wertgrenze von 750,00 EUR - nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b SGG ausgeschlossen, weil die Beteiligten über laufende Leistungen für mehr als ein Jahr streiten (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Zwar kann der Jahreszeitraum bei mehreren Streitgegenständen grundsätzlich nicht durch Addition verschiedener Bewilligungszeiträume erreicht werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn mehrere prozessuale Ansprüche denselben Entstehungsgrund haben und zu gleichen wiederkehrenden Leistungen führen (zum Ganzen Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 144 Rn. 24 m.w.N.). Daran gemessen ist hier vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG auszugehen, weil einerseits für den gesamten Zeitraum die Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in Streit steht und andererseits der Beklagte den für den Zeitraum 1. Januar 2012 bis 30. September 2013 gestellten Überprüfungsantrag mit einem Bescheid abgelehnt hat.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint, wobei mutwillig eine Rechtsverfolgung ist, wenn ein verständig...