Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Widerrufs der erteilten Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung
Orientierungssatz
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 2 Abs. 1 AÜG kann eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Erlaubnisbehörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt gewesen wäre, die Erlaubnis zu versagen.
2. Die Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitnehmerüberlasser zählt zu den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG genannten Regelbeispielen. Kommt dieser mit Zahlungen der Lohnsteuer bzw. Umsatz-, Gewerbe- oder Körperschaftssteuer gehäuft in Rückstand, so belegt dies die Unzuverlässigkeit der Arbeitnehmerüberlassung.
3. In einem solchen Fall kann die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung widerrufen werden.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 27. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (jetzt noch) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage bei dem Sozialgericht Lübeck, Az. S 36 AL 191/19. Gegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid der Antragsgegnerin vom 7. November 2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2019, mit dem die Antragsgegnerin die mit Bescheid vom 20. Februar 2019 bis zum 22. Februar 2020 erteilte verlängerte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) mit Wirkung für die Zukunft widerrufen hat.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in .... W.... Gegenstand des Unternehmens sind Dienstleistungen im Bereich der medizinischen Pflege und die Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG; ausgenommen sind andere erlaubnispflichtige Tätigkeiten als die nach dem AÜG.
Erstmals wurde mit Bescheid vom 16. Februar 2017 eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erteilt. Am 1. Dezember 2017 meldete das (seiner Zeit zuständige) Finanzamt S... offene Steuerrückstände in Höhe von 28.435,51 EUR; am 24. Januar 2018 folgte die Mitteilung zu diversen neuen Steuerrückständen. Mit Bescheid vom 19. Februar 2018 erteilte die Antragsgegnerin antragsgemäß die Erlaubnisverlängerung. In diesem Bescheid wurden darüber hinaus Beanstandungen, die sich aufgrund einer am 15. Januar 2018 durchgeführten Betriebsprüfung ergaben, mit aufgenommen. Der Verlängerungsantrag der Antragstellerin vom 1. Dezember 2018 wurde von der Antragsgegnerin als Neuantrag gewertet. Das (nach Firmenverlegung nunmehr zuständige) Finanzamt R… teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 1. Februar 2019 bestehende Rückstände bei der Lohnsteuer in Höhe von 31.288,63 EUR mit. Das Finanzamt L.. teilte unter dem 8. Februar 2019 Steuerrückstände (betreffend Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer) über insgesamt 51.800 EUR mit. Vollstreckungsmaßnahmen seien eingeleitet. Nachdem das Finanzamt R... unter dem 13. Februar 2019 keine Rückstände mehr gemeldet hatte und das Finanzamt in L... sich gegenüber der Antragstellerin mit einer Teilzahlung-bzw. Restzahlungsvereinbarung einverstanden erklärt hatte, erteilte die Antragsgegnerinnen der Antragstellerin mit Bescheid vom 20. Februar 2019 die für ein Jahr befristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (22. Februar 2020). Unter dem 21. März 2019 erteilte das Finanzamt L... die Auskunft, dass Steuerrückstände über 129.461,09 EUR bestünden und Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet seien. Hierzu informierte die Antragsteller die Antragsgegnerin, dass sie mit dem Finanzamt eine Zahlungsvereinbarung getroffen hätten. Es seien zunächst Ausgleiche für Dezember und Januar vorgenommen worden, sodass sich der Rückstandsbetrag auf 100.000 EUR reduziert habe. Weitere Zahlungen seien vereinbart worden, sodass bis zur 25. Kalenderwoche die Rückstände ausgeglichen würden. Unter dem 18. September 2019 teilte das Finanzamt L... Rückstände über 124.144,35 EUR mit. Wegen der im März bzw. September 2019 gemeldeten Steuerrückstände führte die Antragsgegnerin jeweils ein Auskunftsersuchen vom 29. April 2019 und 24. September 2019 mit Fristsetzung zur Stellungnahme und Erbringung von Nachweisen, dass die Rückstände beglichen seien, sowie dem Hinweis auf die Rechtsfolgen bei nicht Beachtung nach § 16 AÜG durch. Unter dem 9. Oktober 2019 teilte die Antragstellerin mit, dass die Rückstände auf 94.944,36 EUR reduziert worden seien und mit dem Finanzamt L... eine Teilzahlungsvereinbarung dahingehend geschlossen worden sei, dass bis zum 1. Dezember 2019 die Rückstände vollständig zurückgezahlt würden. Das Finanzamt R... teilte bezüglich der Lohnsteuer am 16. Oktober 2019 einen Rückstand von 44.176 EUR mit. Das Finanzamt L... teilte unter dem 16. Oktober 2019 Rückstände betreffend die Gewerbe-, Umsatz- und Körperschaftsteuer in Höhe von 129.909,23 EUR mit. Unter dem 7. Nov...