Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Haftpflichtkosten-Sicherzustellungszuschlag für auch als Beleghebamme tätige freiberufliche Hebamme. kein Abzug eines vom Belegkrankenhaus bereits gezahlten Anteils der Haftpflichtkosten. keine Festsetzung des Sicherstellungszuschlags durch Verwaltungsakt. keine ungeschriebene Erweiterung der Voraussetzungen des Sicherstellungszuschlags nach Sinn und Zweck des § 134a Abs 1b SGB 5 und des Wirtschaftlichkeitsgebotes des § 70 Abs 1 S 2 SGB 5

 

Orientierungssatz

Weder der Sinn und Zweck des § 134a Abs 1b SGB 5 noch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 70 Abs 1 S 2 SGB 5 lassen es zu, die geschriebenen Anspruchsvoraussetzungen für den Sicherstellungszuschlag um die ungeschriebene Voraussetzung des Fehlens einer anderweitigen Kompensation der Berufshaftpflichtversicherungskosten zu erweitern.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Auf den Sicherstellungszuschlag nach § 134a Abs 1b SGB V sind Haftpflichtkostenausgleichszahlungen von Belegkliniken nach den für das zweite Halbjahr 2015 geltenden normenvertraglichen Bestimmungen nicht anzurechnen.

2. Es besteht keine Befugnis des GKV-Spitzenverbands, den Sicherstellungszuschlag durch Verwaltungsakt festzusetzen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.02.2023; Aktenzeichen B 3 KR 13/21 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 13. Juni 2019 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.170,70 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.170,70 EUR als Haftpflichtkosten-Sicherstellungszuschlag gemäß § 134a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für das zweite Halbjahr 2015 hat.

Die Klägerin war im streitigen Zeitraum freiberuflich als Hebamme und zugleich als Beleghebamme im Krankenhaus der S Kliniken in S tätig. Sie ist Mitglied des Hebammenverbandes S1 e.V. In dieser Eigenschaft war sie ab 1. Juli 2015 im Rahmen einer Gruppen-Haftpflichtversicherung des Deutschen Hebammenverbandes e.V. in der Versicherungsform „freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe (außerklinische Geburten, Beleghebammen, Geburten im HgE)“ gegen Haftungsrisiken für Personen-, Sach-, Umwelt- und Vermögensschäden haftpflichtversichert. Der Deutsche Hebammenverband e.V. stellte ihr im Rahmen dieser Versicherung mit Rechnungsdatum vom 1. Juli 2015 als Versicherungsprämie für den Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2015 einen Betrag von 3.137,16 EUR in Rechnung, den die Klägerin am 14. Juli 2015 zahlte.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2015 berechnete die Klägerin den S Kliniken einen nach dem Belegvertrag von der Klinik zu zahlenden Anteil der Klinik an den Haftpflichtkosten in Höhe von 1.337,94 EUR, mit dem sie bereits am 14. Juli 2015 das Konto der Klinik belastet hatte. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 7 der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Mit dem am 17. Februar 2016 eingegangenen Schreiben vom 15. Februar 2016 beantragte die Klägerin beim Beklagten, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen (§ 217a SGB V), die Festsetzung und Auszahlung des Haftpflichtkosten-Sicherstellungszuschlages gemäß Anlage 1.4 zum Vertrag nach § 134a SGB V für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis 31. Dezember 2015.

Mit Bescheid vom 13. Mai 2016 setzte der Beklagte den Sicherstellungszuschlag für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015 in Höhe von 1.031,11 EUR fest. Zur Begründung führte er insbesondere aus, der Berechnung sei eine bereinigte Versicherungsprämie in Höhe von 1.799,22 EUR zu Grunde zu legen. Dabei sei von dem Gesamtbetrag in Höhe von 3.137,16 EUR der Zuschuss des Klinikträgers in Höhe von 1.337,94 EUR abzuziehen. Nach Maßgabe von § 2 Abs. 4 und 4a der Anlage 1.4 zum Vertrag nach § 134a SGB V ergebe sich ein Auszahlungsbetrag in Höhe des bewilligten Betrags. Der Bescheid sei vorläufig und ergehe unter dem Vorbehalt des Widerrufs, da gegen den Beschluss der Schiedsstelle nach § 134a Abs. 4 SGB V vom 24./25. September 2015 Klagen vor dem Sozialgericht Berlin erhoben worden seien. Die Klage des Deutschen Hebammenverbandes e. V. (zum Az.: S 211 KR 4186/15) gegen den Schiedsspruch insgesamt und damit auch gegen die Regelungen zum Sicherstellungszuschlag ist nach wie vor anhängig und ruht zurzeit.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch und wandte sich gegen die Berücksichtigung der Zahlung der Klinik.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Im Rahmen der Festsetzung des der Klägerin zustehenden Sicherstellungszuschlags seien Zahlungen Dritter auf die Berufshaftpflichtversicherung der Klägerin in Abzug zu bringen. In § 134a Abs. 1b Satz 1 SGB V sei geregelt, dass Hebammen den Sicherstellungszuschlag erhielten, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen anderenfalls nicht ausreichend berücksichtigt würden. Der Gesetzgeber habe bei der Einführung des Sicherstellungs...

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