Entscheidungsstichwort (Thema)
PTBS. Arbeitsunfall. Herabfallen eines Gegenstandes
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung infolge eines Arbeitsunfalls setzt eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, voraus.
2. Das Herabfallen eines Gegenstandes und Auftreffen desselben auf einen menschlichen Körper erfüllt diese Kriterien regelmäßig nicht.
Normenkette
SGB VII § 8 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. November 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung psychischer Gesundheitsstörungen als weitere Folge eines anerkannten Arbeitsunfalls und daraus resultierender Leistungen (Verletztengeld und Verletztenrente).
Der 1968 geborene Kläger war am 6. Juli 2013 als Selbstständiger (im ergänzenden Leistungsbezug nach dem SGB II) auf einer Baustelle mit dem Reinigen eines Eisenträgers von Sand beschäftigt, als ihm ein etwa 10 kg schwerer Metallgegenstand auf den Kopf fiel. Dabei bewegte er sich reflexartig ausweichend zur Seite, so dass sein Helm herunterfiel und der Gegenstand seinen Kopf traf.
Der Kläger wurde anschließend im Neurozentrum in der A aufgenommen. Dort wurde eine Kopfplatzwunde festgestellt, Paresen gab es nicht. Der Kläger berichtete, ihm sei nach dem Unfall kurz schwindelig gewesen. Der neurologische Untersuchungsbefund und die Elektroenzephalographie waren unauffällig. Die cranielle Computertomographie zeigte keine knöcherne Verletzung, allerdings eine kleine Hyperdensität im Bereich des Foramen Monroi rechts, die zunächst nicht eindeutig als Blutung oder kleine Verkalkung identifiziert werden konnte, bei Entlassung am 9. Juli 2013 jedoch als kleine unspezifische Verkalkung bewertet wurde. Der Kläger berichtete den behandelnden Ärzten davon, jeweils vor dem Einschlafen immer wieder das Unfallereignis vor Augen ablaufen zu sehen, verbunden mit Todesangst (D-Arztbericht W, Bericht A vom 9. Juli 2013). Der D-Arzt P hielt über die Untersuchung am 10. Juli 2013 fest, dass der Kläger am Kopf parietal knapp rechts der Mittellinie eine knapp pfenniggroße Schorfkruste habe, wach und orientiert sei und es keinen Hinweis für ein höhergradiges Schädelhirntrauma gebe. Es gab keine Sensibilitätsstörungen, jedoch Druck- und Bewegungsschmerzhaftigkeit im Bereich der seitlichen Hals- und Nackenmuskulatur und der Schultermuskulatur. Die Ärzte diagnostizierten am 9. Juli 2013 eine Schädelprellung ohne eindeutige Hirnbeteiligung (Bericht A vom 9. Juli 2013) bzw ein Schädelhirntrauma mit milder Verlaufsform und eine HWS-Distorsion (D-Arzt P am 10. Juli 2013). Die radiologische CT-Verlaufskontrolle des Schädels am 30. Juli 2013 zeigte keine Fraktur, keine Blutung und im Übrigen unauffällige Verhältnisse insbesondere epidural, subdoral und subarachnoidal. Reizlose Verhältnisse zeigten sich auch um das Foramen Monroi (beidseitige Öffnung, welche die beiden Seitenventrikel mit dem Ventriculus tertius (III. Ventrikel) verbindet). Die neurologische Untersuchung am 12. August 2013 zeigte keine neurologischen Auffälligkeiten und eine unauffällige Elektroenzephalographie (Bericht G/B vom 13. August 2013).
Ab Ende Juli 2013 berichtete der Kläger den behandelnden Ärzten - weiterhin - von Angstzuständen (ua Berichte P vom 31. Juli 2013, 16. August 2013, 26. September 2013; G/G1 vom 14. August 2013; G/B vom 13. August 2013, 15. Januar 2014; G2/S vom 24. August 2013; Bericht Reha-Zentrum N vom 14. Dezember 2013). Das Auftreffen des Gegenstandes habe er wie eine Explosion erlebt, er sei zunächst völlig desorientiert gewesen und habe nur noch gezittert. Aus dem Krankenhaus hätte er sich gern früher selbst entlassen, allerdings sei ihm gesagt worden, er könne an einer Hirnschwellung oder Hirnblutung sterben, wodurch er und seine Familie sehr geängstigt worden seien. Den „Einschlag“ und die „Explosion“ sowie den „schlimmen Krankenhausaufenthalt“ erlebe er immer wieder, so dass er Schlafstörungen habe. Er könne sich nicht vorstellen, diese gefährliche Tätigkeit wiederaufzunehmen. G/B beschrieben, insgesamt zeige sich das Bild einer Anpassungsstörung nach einem Unfall mit Schädelprellung oder möglicher Gehirnerschütterung, das Denken sei eingeengt auf Zukunftsängste und körperliche Beschwerden (Bericht vom 13. August 2013). G/G1 hielten eine ausgeprägte Grübelneigung mit getriggerten Vorstellungsbildern vom Unfall bzw. von der Zeit im Krankenhaus fest. Ferner seien situationsbezogene Ängste im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz nicht völlig auszuschließen (Bericht vom 14. August 2013). Der Kläger berichtete ferner über anhaltend...