Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung. Krankenkasse. Zweck der Datenübermittlung nach § 295 Abs 2 SGB 5
Orientierungssatz
Der Zweck der Datenübermittlung nach § 295 Abs 2 SGB 5 zielt nicht nur auf die Abrechnung im Sinne der Bildung der Gesamtvergütung gemäß § 85 SGB 5. Der Begriff der Abrechnung iS der Vorschrift ist weit zu fassen; er bezieht die nachträgliche Überprüfung der Leistungsabrechnung der Vertrags(zahn)ärzte gemäß § 106a SGB 5 ein (vgl BSG vom 2.4.2014 - B 6 KA 19/13 R = SozR 4-2500 § 295 Nr 3 RdNr 26).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 28. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welchem Umfang die Beklagte verpflichtet ist, Daten im Sinne des § 295 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) an die klagenden Krankenkassen herauszugeben.
Die Klägerinnen entrichten in Schleswig-Holstein seit 1999 die Gesamtvergütung an die Beklagte gemäß § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V nach Kopfpauschalen.
Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen schlossen am 5. Juni 2008 einen Vertrag über den Datenaustausch auf Datenträgern oder im Wege elektronischer Datenübertragung (DTA - Vertrag). In § 1 Abs. 3 des Vertrages ist geregelt: „Die kassenzahnärztlichen Vereinigungen übermitteln die nach § 295 Abs. 2 SGB V vorgesehenen Daten an die Krankenkassen nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrages“. Zu der Regelung erging folgende Protokollnotiz: „Soweit andere Vergütungsregelungen als auf der Basis von Einzelleistungsvergütungen gemäß § 85 Abs. 2 SGB V durch die Gesamtvertragspartner getroffen werden, kann Abweichendes über Art und Umfang der Datenübermittlung vereinbart werden“. Grundlage für die Protokollnotiz ist ein Beschluss des Bundesschiedsamts vom 30. Januar 2008, der zwischen den Vertragspartnern erging. Zur Begründung dieser Regelung führte das Bundesschiedsamt aus, die Vereinbarungen in dem DTA-Vertrag seien auf die in der Praxis üblichen Einzelleistungsvergütungen abgestellt. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB V werde der Inhalt der Bundesmantelverträge Bestandteil der Gesamtverträge. Wenn Gesamtvertragsparteien von Einzelleistungsvergütungen abweichende Vereinbarungen träfen, müssten sie daher auch entsprechend angepasste Datenübermittlungen vereinbaren können. Diesem Zweck dienten die Öffnungsklauseln der Protokollnotiz zu § 1 Abs. 3 DTA-Vertrag.
In der Folgezeit übersandte die Beklagte den Klägerinnen den Entwurf einer Regelung der Datenlieferung zwischen ihr und den Klägerinnen vom 9. November 2009. Die Klägerinnen, vertreten durch den V, hielten den Inhalt des Entwurfs für unzureichend. Sie führten aus, die Verpflichtung zur Datenlieferung ergebe sich aus dem DTA-Vertrag. Ohne die in § 295 Abs. 2 SGB V aufgeführten Daten könnten sie ihre Prüfaufgaben nach § 106 a SGB V nicht erfüllen. § 1 Absatz 3 DTA-Vertrag enthalte keinen Hinweis darauf, dass die Daten nur der Abrechnung der Vergütung dienen sollten. In einem nachfolgenden Schriftwechsel erzielten die Beteiligten keine Einigung über die Verpflichtung zum Datenaustausch.
Am 29. April 2010 beantragte die Beklagte die Durchführung eines Verfahrens vor dem Landesschiedsamt zur Festsetzung einer gesamtvertraglichen Regelung zu Art und Umfang des Datenträgeraustauschs zwischen den Beteiligten. Die Klägerinnen sahen keine Veranlassung für die Durchführung eines solchen Verfahrens und vertraten den Standpunkt, die Protokollnotiz zum DTA-Vertrag enthalte hierfür keine zwingende Verpflichtung. Das Verfahren vor dem Landesschiedsamt endete mit einem Beschluss vom 24. August 2010:
1. Das Landesschiedsamt versteht Ziffer 2 des Beschlusses des Bundesschiedsamts vom 10.9.2008 (Az.: BSA - ZÄ 3/2006) als Delegation der Vereinbarungskompetenz auf die Beteiligten auf Landesebene, wobei davon ausgegangen wird, dass diese Vereinbarung innerhalb dieses rechtlichen Zusammenhangs schiedsamtsfähig ist.
2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung empfiehlt das Landesschiedsamt den Beteiligten, unverzüglich Verhandlungen in dieser Angelegenheit aufzunehmen.
3. Es wird die Mindestgebühr im Sinne von § 20 Satz 2 der Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung festgesetzt.
Es folgte eine weitere Protokollnotiz:
1. die Beteiligten nehmen in diesem Verfahren ihre Anträge zurück.
2. die Beteiligten verzichten auf eine Begründung dieser Entscheidung.
3. die Beteiligten verzichten auf Rechtsmittel.
4. die Beteiligten verpflichten sich, spätestens bis Mitte Oktober 2010 Verhandlungen aufzunehmen.
Am 30. Juli 2010 haben die Klägerinnen Klage bei dem Sozialgericht Kiel erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zur Übersendung der vollständigen Daten gemäß § 295 Abs. 2 SGB V zu verurtei...