Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzfestsetzungskompetenz. Wirtschaftlichkeitsprüfungseinrichtungen. Verletzung der ärztlichen Sorgfalt durch unzulässige Arzneimittelverordnung
Orientierungssatz
Einer Schadensersatzfestsetzungskompetenz der Prüfungseinrichtungen bezüglich des Vorwurfs der Verletzung der ärztlichen Sorgfalt durch unzulässige Arzneimittel-Verordnungen im Quartal 1/95 steht § 50 des am 1.1.1995 in Kraft getretenen Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) vom 19.12.1994 entgegen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen von der Beigeladenen zu 1) geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen ihrer Ansicht nach unzulässiger Verordnung einzelner Arzneimittel durch den Kläger im Quartal I/95.
Der Kläger ist seit 1992 als praktischer Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Am 3. November 1995 stellte die Beigeladene beim Gemeinsamen Prüfungsausschuß einen "Antrag auf Schadensersatz wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise gemäß § 10 und auf Feststellung eines sonstigen Schadens gemäß § 13 der Prüfvereinbarung vom 11. November 1992". Diesen begründete sie zum einen damit, daß der Kläger um 40,3 Prozent die nach der Versichertengruppenverteilung in seiner Praxis gewichteten Durchschnittswerte der Verordnungen der Vergleichsgruppe Praktiker Land II überschritten habe. Weiterhin führte sie in dem Antrag aus, der Kläger habe für zahlreiche -- im einzelnen benannte -- Versicherte benzodiazepinhaltige Hypnotika, Narkotika sowie Psychoanaleptica in größeren Umfange verordnet und damit gegen die Nrn. 19, 22 und 23 der Arzneimittelrichtlinien verstoßen. Weiterhin ist in der Antragsschrift ausgeführt, daß der Kläger durch Nichtbeachtung der Arzneimittelrichtlinien Nrn. 16.1, 16.2, 17.1 c, 17.1 j, 17.1 l, 17.1 q, 17.2 h ein Schaden in Höhe von 1.351,91 DM verursacht habe. In diesem Betrag sei bereits der Apothekenrabatt und der Eigenanteil der Versicherten berücksichtigt. Der Gesamtwert des Schadens ist in der Antragsschrift mit 5.521,59 DM beziffert und ergänzend ausgeführt: Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 21. Juni 1989 (6 RK 11/88) seien auch unzulässige Verordnungen (z. B. Verstoß gegen die Nr. 17.1 der Arzneimittelrichtlinien) als unwirtschaftlich in einem weiteren Sinne anzusehen. Aus diesem Grunde werde der Antrag nach § 10 der Prüfvereinbarung gestellt und hilfsweise nach § 13 der Prüfvereinbarung. Zum Hilfsantrag sei zu bemerken, daß ein Verschulden in der Nichtbeachtung der verbindlichen und den Kassenärzten bekanntgemachten Arzneimittelrichtlinien gesehen werde.
Der Prüfungsausschuß verneinte in seinem Bescheid vom 15. März 1996 die Voraussetzungen für eine statistische Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten, weil der Kläger den maßgeblichen Durchschnittswert der Vergleichsgruppe nur mit 29,9 Prozent überschritten haben und sich deshalb nicht im Bereich des offensichtlichen Mißverhältnisses befinde. Er -- der Prüfungsausschuß -- habe allerdings im Rahmen der Einzelfallprüfung alle zur Verfügung gestellten Verordnungen durchgesehen. Bezogen auf die Gesamtverordnung der beanstandeten Behandlungsfälle komme er zu dem Ergebnis, daß dieses Verordnungsverhalten medizinisch und wirtschaftlich nicht zu vertreten sei. Es seien nach § 34 Abs. 1 und Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs, Fünftes Buch (SGB V) und den Nrn. 16.1 und 17.1 ff. der Arzneimittelrichtlinien nicht verordnungsfähige Medikamente verordnet worden. Außerdem seien die Nrn. 21 bis 23 der Arzneimittelrichtlinien nicht hinreichend beachtet worden. Er erwarte für die Zukunft eine noch strengere Beachtung dieser vorgenannten Ausführungen und erteile diesbezüglich eine schriftliche Beratung.
Ihren gegen diesen Bescheid am 12. April 1996 eingelegten Widerspruch begründete die Beigeladene zu 1) im wesentlichen damit, daß der Kläger bei einem Patienten durch Verordnung von 90 L-Polamidonampullen, 105 Ampullen Narkosemitteln, Tranquillantien in Ampullen- und Tablettenform sowie Psychoanaleptica gegen die Ziffer 23 der Arzneimittelverordnungen verstoßen und außerdem eine unzulässige Substitutionsbehandlung vorgenommen habe. Bei anderen Versicherten habe er gegen die Nr. 22 der Arzneimittelrichtlinien verstoßen durch Verordnung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln an Suchtkranke bzw. Medikamentenabhängige. Außerdem habe er die Arzneimittelrichtlinie Nr. 8, wonach der Vertragsarzt die Regeln der ärztlichen Kunst auf der Grundlage des Standes der medizinischen Erkenntnisse zu beachten habe, nicht berücksichtigt. Die Verordnung von 900 AN 1-Dragees mit dem Inhaltsstoff Amphetamin verstoße zudem gegen die Nr. 17.11 der Arzneimittelrichtlinien. Es sei ein sonstiger Schaden gemäß § 13 der Prüfvereinbarung festzusetzen.
Mit Bescheid vom 21. März 1997, der auf einem in seiner Sitzung vom 13. November 1996 gefaßten Beschluß beruhte, setzte der Beklagte einen Schadensersatz in Höhe von 4.122,35 DM fest. In der Begründung des Bescheides wurde dies auf die Verordnung nicht verordnungsfähiger Medikamente, weitere Verstöße des Klägers gegen di...