Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beendigung der Pflichtversicherung. freiwillige Versicherung. Beratungspflicht. Versäumung der Antragsfrist
Orientierungssatz
In der Beendigung einer Pflichtversicherung und der Möglichkeit der Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung liegt keine allgemeine Verpflichtung, von Amts wegen, also ohne Antrag, eine Beratung vorzunehmen, sondern es bedarf eines konkreten Anlasses, der allerdings in einem Antrag auf Beratung liegen kann.
Normenkette
SGB V § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1; SGB XI § 20 Abs. 3; SGB I §§ 14-15
Verfahrensgang
SG Kiel (Urteil vom 16.03.2001; Aktenzeichen S 17 KR 36/00) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 16. März 2001 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Mitglied der Beklagten ist.
Der 1958 geborene Kläger leidet an einem ausgeprägten hirnorganischen Psychosyndrom mit Orientierungsstörungen, Vergesslichkeit und anderen psychiatrischen Erscheinungsformen. Am 7. Oktober 1998 wurde für ihn der Beigeladene als Betreuer für die Angelegenheiten Vermögenssorge einschließlich Versorgungs- und Sozialleistungen, Wohnungsangelegenheiten, Aufenthaltsregelung und Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen bestellt. Wegen seiner Erkrankung erhielt er von der Beklagten zu 1) bis zum 15. Oktober 1998 Krankengeld und war bei ihr pflichtversichert. Vor der sog. Aussteuerung beantragte der Kläger, der sich zu diesem Zeitpunkt in der Fachklinik H in stationärer Behandlung befand, mit Hilfe des dortigen Sozialen Dienstes bei der Bundesanstalt für Arbeit die Gewährung von Arbeitslosengeld, das ihm ab 16. Oktober 1998 gewährt wurde. Die Krankenversicherung erfolgte weiterhin durch die Beklagte zu 1). Mit Bescheid vom 19. April 1999, an die Adresse Sch, K, gerichtet und übersandt, hob die Bundesanstalt für Arbeit die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 22. April 1999 auf. Die Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein habe Erwerbs- und Berufsunfähigkeit wegen nicht erfüllter Wartezeit abgelehnt, gleichwohl aber die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit festgestellt. Auch nach dem vorliegenden arbeitsamtsärztlichen Gutachten sei mit einer Wiederherstellung des Leistungsvermögens innerhalb von sechs Monaten nach Aussteuerung durch die Krankenkasse nicht zu rechnen. Damit könne der Kläger lediglich noch versicherungsfreie Tätigkeiten ausüben und sei nicht mehr arbeitslos, da nicht verfügbar.
Am 8. September 1999 erhielten die Beklagten von dem Beigeladenen den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung des Klägers. Zur Erläuterung wies er darauf hin, es sei ihm wohl bewusst, dass die gesetzliche Frist abgelaufen sei. Da es sich hierbei allerdings um einen Betreuungsfall handele und die damit verbundenen Schwierigkeiten es ihm nicht ermöglicht hätten, rechtzeitig zu reagieren, bitte er um die Weiterversicherung. Dies lehnten die Beklagten für die Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 8. September 1999 ab, da der Antrag nicht innerhalb von drei Monaten, also spätestens am 20. Juli 1999, gestellt worden sei. Der Beigeladene warf den Beklagten daraufhin vor, keine Benachrichtigung über das Ende der Krankenversicherung erteilt zu haben. Die Beklagten blieben bei ihrer Entscheidung (Schreiben vom 21.9.1999), der Kläger legte Widerspruch ein. Die Beklagten wiesen den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 2000 zurück. Ihre Begründung ergänzten sie dahin, zwar könne der Kläger die notwendige Vorversicherungszeit nachweisen, die Anzeige zur freiwilligen Versicherung sei jedoch nicht rechtzeitig gestellt. Bei der Frist des § 9 Abs. 2 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) handele es sich um eine Ausschlussfrist. Eine Wiedereinsetzung komme zwar grundsätzlich in Betracht, hier aber deshalb nicht, weil die Voraussetzung "ohne Verschulden" nicht vorliege. Zwar sei der Kläger selbst nicht in der Lage gewesen, sich um seine Belange zu kümmern. Dies hätte jedoch der Betreuer machen können. Ein Rechtsirrtum, der auf mangelnde Rechtskenntnis zurückzuführen sei, könne das Verstreichen einer Frist in der Regel nicht entschuldigen.
Der Kläger hat am 27. April 2000 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und zur Begründung vorgetragen: Der Beigeladene sei zum damaligen Zeitpunkt noch nicht für den Aufgabenkreis "Entgegennahme und Öffnen der Post" bestellt worden. Die Post habe den Kläger im Wohnhaus K erreicht. Bei einem gemeinsamen Aufräumen seines Zimmers mit einer Pflegekraft sei dann jener Brief entdeckt worden, aus dem sich die Notwendigkeit einer freiwilligen Weiterversicherung ergeben habe. Zu diesem Zeitpunkt sei aber die Frist zur freiwilligen Weiterversicherung schon verstrichen gewesen. Ein Verschulden könne weder dem Kläger noch dem Betreuer angelastet werde...