Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Behandlungspflege. Medikamentenabgabe. Anspruchsdauer. Begriff des Haushalts iS des § 37 SGB 5

 

Orientierungssatz

1. Die Medikamentenabgabe an Versicherte zählte bereits schon vor dem Erlass der Richtlinien über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege" vom 16.2.2000 zur Behandlungspflege (vgl BSG vom 26.3.1980 - 3 RK 47/79 = BSGE 50, 73 = SozR 2000 § 185 Nr 4). Die Rechtslage hat sich durch die Richtlinien daher nicht geändert.

2. Der Anspruch auf Behandlungspflege gemäß § 37 Abs 2 S 1 SGB 5 erfährt keine zeitliche Einschränkung durch eine entsprechende Anwendung des § 37 Abs 1 S 3 SGB 5.

3. Zum Begriff des Haushalts in § 37 SGB 5.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.05.2003; Aktenzeichen B 3 KR 32/02 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der Kosten für die tägliche Medikamentenabgabe an den Kläger.

Der ... 1929 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert, die seit dem 1. Januar 2000 Rechtsnachfolgerin der Gärtner-Krankenkasse, H, ist. Seit Anfang der fünfziger Jahre leidet er an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Von 1953 bis Anfang 1994 lebte er ununterbrochen in psychiatrischen Fachkliniken und Einrichtungen. Seit Anfang 1994 ist er in einer von der beigeladenen B Schleswig-Holstein GmbH (B) getragenen sozialtherapeutischen Wohngruppe untergebracht. Dort bewohnt er ein Einzelzimmer mit gemeinschaftlicher Benutzung einer Küche, eines Essraumes und sanitärer Anlagen. Die Wohngruppe gewährt durch Fachpersonal Beratung, Betreuung, Unterstützung und praktische Hilfen. Die Beteiligung des Klägers erfolgt nach einem entsprechenden Betreuungsplan. Er ist ausweislich des Vertrages über die Betreuung in einer therapeutischen Einrichtung (§ 3) verpflichtet, an der Erstellung und der Umsetzung des Betreuungsplanes aktiv teilzunehmen. Eine vorübergehende Abwesenheit von länger als einem Tag muss rechtzeitig mit einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin abgesprochen werden. Zu seinen Pflichten gehört die regelmäßige Reinigung und das Lüften des eigenen Zimmers, ebenso die Mitwirkung an der Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Räume. Die Kostenerstattung für die Unterkunft beträgt monatlich 525,00 DM einschließlich aller Kosten (Heizung, Strom, Wasser, Gas, Renovierung, diverse Nebenkosten, Müllabfuhr, Nutzung der Gemeinschaftsräume, Küchenbenutzung, Gartenbenutzung). Für die Gewährung der Betreuung erhält die B ein kostendeckendes Entgelt nach den mit dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein vereinbarten Pflegesätzen. In diesem Pflegesatz sind nicht die Kosten einer ärztlichen Behandlung sowie die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel enthalten.

Der den Kläger behandelnde Nervenarzt D verordnete erstmalig am 1. Oktober 1996 häusliche Krankenpflege in Form einmal täglicher Medikamentenverabreichung (geschrieben: einmal wöchentlich) zur Sicherung der ärztlichen Behandlung, die die Gärtner-Krankenkasse insgesamt bis zum 30. Juni 1997 übernahm. Die weitere Leistung aufgrund der Verordnung häuslicher Krankenpflege ab 1. Juli 1997 durch Herrn D lehnte sie mit Bescheid vom 21. Juli 1997 ab, nachdem sie eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) eingeholt hatte. Sie führte aus, die Verabreichung von Medikamenten sei dann der Behandlungspflege zuzuordnen, wenn sie der Sicherung der ärztlichen Behandlung diene. Dies sei bei dem Kläger nicht mehr der Fall, da im Rahmen eines Dauerzustandes die Medikamentenverabreichung der sozialpsychiatrischen Betreuung diene.

Gegen die Entscheidung legte der Kläger am 18. August 1997 Widerspruch ein und führte aus, die Medikamentenverabreichung diene dem Ziel der ärztlichen Behandlung, nämlich der Heilung, Besserung, Linderung oder Verhinderung von Krisensituationen. Die Medikamentenabgabe sei nur durch das Fachpersonal der sozialpsychiatrischen Wohngruppe der B in N möglich. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 1997 zurück, in welchem sie ausführte, Versicherte erhielten in ihrem Haushalt oder ihrer Familie Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sei. Die Satzung könne darüber hinaus bestimmen, dass sie -- die Krankenkasse -- zusätzlich zur Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung leiste. Ihre eigene Satzung enthalte eine solche Regelung jedoch nicht. Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege sei davon abhängig, dass der Versicherte in einem eigenen Haushalt lebe. Ein Haushalt in diesem Sinne sei eine selbstständige Wohneinheit, in der die hauswirtschaftliche Versorgung Angelegenheit des Versicherten sei. Der Kläger sei nach den Feststellungen des MDK anlässlich der Begutachtung zur Pflegebedürftigkeit (Gutachten vom 12. Juni 1997 durch Dr. S-B sowie Pflegefachkraft B) seit 1950 in der selbstständigen Lebensführung eing...

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