rechtskräftig: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Empfänger zu Unrecht erbrachte Leistung. Dauerauftrag. Konto. öffentlich-rechtliches Verhältnis. Verwaltungsakt. Leistungsklage. Widerklage
Leitsatz (amtlich)
1. Empfänger im Sinne des § 118 Abs. 4 SGB VI ist jeder, der per Dauerauftrag Geld von dem Konto erhalten hat, auf das der Leistungsträger die zu Unrecht erbrachte Leistung überwiesen hat.
2. Fehlt es an einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zwischen Leistungsträger und Empfänger, kann die Erstattung der Leistung nicht durch Verwaltungsakt, sondern nur durch Leistungsklage – ggf. in der Form der Widerklage – geltend gemacht werden.
Normenkette
SGB VI § 118 Abs. 3-4; SGG § 100
Beteiligte
Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein |
Verfahrensgang
SG Kiel (Entscheidung vom 19.09.2000; Aktenzeichen S 1 RJ 349/98) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 19. September 2000 geändert.
Der Kläger wird verurteilt, der Beklagten 650,00 DM zu erstatten.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um 650,00 DM.
Der Kläger ist der Vermieter einer Wohnung, die die Versicherte Erna R. für 650,00 DM monatlich gemietet hatte. Frau R. hatte bei der Sparkasse M. ein Konto eingerichtet, von dem per Dauerauftrag die monatliche Miete an den Kläger ging. Die Beklagte überwies auf dieses Konto die monatliche Rente.
Am 12. September 1996 verstarb Frau R.. Ende September überwies die Beklagte die Oktoberrente auf das angegebene Konto der Versicherten. Anfang Oktober 1996 führte die Sparkasse den Dauerauftrag aus und überwies dem Kläger 650,00 DM als Miete für den Monat Oktober.
Am 28. Oktober 1996 rief die Beklagte vergeblich die Rentenüberzahlung von der Sparkasse zurück. Nachdem die Beklagte von der Sparkasse die Adresse des Klägers erfahren und diesen zur Erstattung der 650,00 DM aufgefordert hatte, weigerte er sich mit dem Hinweis, die Wohnung sei im Oktober 1996 noch nicht geräumt gewesen. Daraufhin forderte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Dezember 1997 und Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1998 (zur Post gegeben am 30. Oktober 1998) von dem Kläger 650,00 DM nach § 118 Abs. 4 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI).
Diese Bescheide hat der Kläger am 30. November 1998 mit einer Anfechtungsklage angegriffen. Am 20. April 2000 hat die Beklagte eine Leistungsklage in Form der Widerklage auf Zahlung von 650,00 DM erhoben.
Daraufhin hat der Kläger beantragt,
- den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 1998 aufzuheben,
- die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat beantragt,
- die Klage abzuweisen,
- den Kläger zur Zahlung von 650,00 DM zu verurteilen.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 19. September 2000 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Widerklage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es: Mangels eines hoheitlichen Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten könne diese ihre Forderung nicht durch Verwaltungsakte geltend machen. Richtigerweise müsse die Beklagte eine Leistungsklage erheben, was sie in Form der Widerklage zulässig getan habe. Diese Widerklage sei jedoch nicht begründet. Der Kläger sei nicht Empfänger einer Leistung der Beklagten, wie § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI dies erfordere. Empfänger seien die Versicherten oder deren Erben. Mit dieser Vorschrift habe der Gesetzgeber keinen Anspruch gegenüber Dritten schaffen wollen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Sozialgericht zugelassene und von der Beklagten rechtzeitig eingelegte Berufung. Die Beklagte hält an ihrer Rechtsauffassung fest, dass mit dem Wort Empfänger in § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI jeder gemeint sei, der Geld von dem Konto erhalten habe, auf das die Rente zu Unrecht überwiesen worden sei.
Sie beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 19. September 2000 insofern zu ändern, als die Widerklage abgewiesen wurde,
- der Widerklage stattzugeben.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI erfasse nur die direkte Weiterleitung der Rentenleistung. Die Auslegung der Beklagten schaffe Abgrenzungsprobleme. Hier sei die Mietzahlung nicht direkt aus der Rentenleistung erfolgt, sondern aus dem Nachlass, der sich noch auf dem Kontokorrentkonto befunden habe.
Die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge haben vorgelegen. Auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten wird im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Vorsitzende als Einzelrichter (§ 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger hat der Beklagten 650,00 DM zu erstatten.
Die Widerklage ist nach § 100 SGG zulässig, weil der Anspruch der Beklagten mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch zusammenhängt. Sowohl die angefochtenen Bescheide als auch die Widerklage zielen darauf, dass der Kläger der Beklag...