Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unangemessenheit der Unterkunftskosten. Kostensenkungsverfahren. Zweipersonenhaushalt in Kiel. keine Erhöhung der Wohnflächengrenze für Alleinerziehende. Mietspiegel der Stadt Kiel als schlüssiges Konzept. Datenauswertung. einfacher Wohnungsstandard. Baualtersklassen. gewichteter arithmetischer Mittelwert. Nachweis der Verfügbarkeit angemessener Unterkünfte
Orientierungssatz
1. Bei Ermittlung der nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 berücksichtigungsfähigen, angemessenen Unterkunftskosten, ist die in Kiel für einen Zweipersonenhaushalt geltende Wohnflächengrenze von 60 qm nicht deshalb zu erhöhen, weil ein sechsjähriges Kind allein erzogen wird.
2. Der qualifizierte Mietspiegel der Stadt Kiel (hier 2006 und 2008) bietet eine hinreichende Datengrundlage für das geforderte schlüssige Konzept des Grundsicherungsträgers zur Ermittlung der maßgebenden Angemessenheitsgrenzen iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
3. Die Auswertung eines nach verschiedenen Baualtersklassen, Wohnlagen und Ausstattungsgraden ausdifferenzierten qualifizierten Mietspiegels als Grundlage zur Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft muss gewährleisten, dass ein einzelner Wert entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt (vgl BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Lassen sich weitergehende Schlüsse dazu, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden.
4. Die nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 angemessene Bruttokaltmiete pro Quadratmeter für die Stadt Kiel beträgt unter Geltung des Mietspiegels 2006 5,97 Euro und unter Geltung des Mietspiegels 2008 6,03 Euro. Hieraus ergibt sich bei einer Wohnflächengrenze von 60 qm die Mietobergrenze von 358,20 Euro bzw ab Dezember 2008 361,80 Euro.
5. Für den Nachweis des Grundsicherungsträgers, dass Unterkünfte bis zur festgesetzten Mietobergrenze auf dem Wohnungsmarkt anmietbar sind, reicht es aus, dass zu Beginn des ersten Monats nach Ablauf der Übergangsfrist des Kostensenkungsverfahrens gem § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 angemessene Unterkünfte in ausreichender Zahl vorhanden sind. Diese Anforderungen sind erfüllt, wenn 10 angemessene Unterkünfte zum genannten Zeitpunkt nachgewiesen werden.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 23. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt 1/6 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen.
3.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. November 2008 bis zum 31. März 2009. Streitig ist zwischen den Beteiligten insbesondere, ob die für einen 2-Personen-Haushalt grundsätzlich als angemessen betrachtete Wohnfläche von bis zu 60 qm bei Alleinerziehenden zu erhöhen ist.
Die im Jahre 1967 geborene Klägerin zu 1) und deren im Jahre 1999 geborener Sohn, der Kläger zu 2), stehen seit dem Jahre 2005 im Leistungsbezug beim Beklagten. Sie bewohnen eine öffentlich geförderte, 79,63 qm große Wohnung in der M.straße in K. Für die Wohnung waren laut Abrechnung der K. GmbH & Co. KG vom 21. Mai 2008 ab dem 1. August 2008 monatlich eine Bruttokaltmiete in Höhe von 471,59 EUR sowie eine Heizkostenpauschale in Höhe von 62,00 EUR, mithin monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von insgesamt 533,59 EUR zu zahlen.
Mit Schreiben vom 8. April 2008 wies der Beklagte die Kläger darauf hin, dass für deren Wohnung bislang eine Bruttokaltmiete in Höhe von 433,23 EUR zuzüglich Heizkosten berücksichtigt worden seien. Diese Miete sei nur vorübergehend zu akzeptieren, da sie zu hoch sei. Nach den geltenden Mietobergrenzen könnten für zwei Personen bei Wohnungen mit einem Baujahr bis 1976 lediglich eine Bruttokaltmiete in Höhe von 327,00 EUR und bei später fertig gestellten Wohnungen in Höhe von 373,00 EUR anerkannt werden. Die Kläger würden deshalb aufgefordert, ihre Unterkunftskosten zu senken. Anderenfalls würde die Miete nach Ablauf von sechs Monaten auf die für die Wohnung der Kläger geltende Mietobergrenze von 373,00 EUR zuzüglich Heizkosten gesenkt werden.
Am 21. Juli 2008 nahm die Klägerin zu 1) eine Erwerbstätigkeit (Aushilfstätigkeit) als Raumpflegerin bei der Zahnarztpraxis A./S. auf. Sie teilte dem Beklagten am 22. Juli 2008 mit, dass sie monatlich ca. 390,00 EUR netto verdienen werde.
Auf den von den Klägern am 1. September 2008 gestellten Fortzahlungsantrag bewilligte der Be...