Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Verletztenrente. Arbeitsunfall. Kniescheibenfraktur. Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. besondere berufliche Betroffenheit. rechtliches Gehör

 

Orientierungssatz

1. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Bezug von Verletztenrente infolge einer im Rahmen der beruflichen Tätigkeit erlittenen Kniescheibenfraktur.

2. Bei der Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 56 Abs 2 SGB 7 kommt es auf die gegenwärtige körperliche Einbuße an, während zukünftige, auch absehbare Schäden nicht berücksichtigt werden (vgl BSG vom 27.1.1976 - 8 RU 264/74 = SozR 2200 § 581 Nr 6).

3. Die unfallversicherungsrechtliche Regelung des § 56 Abs 2 S 3 SGB 7 läßt keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit - etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Abs 2 BVG - zu; eine derartige Auslegung widerspricht den Voraussetzungen und der gegenüber dem Versorgungsrecht anders gearteten Systematik des Unfallversicherungsrechts.

4. Bei der Prüfung der besonderen beruflichen Betroffenheit nach § 56 Abs 2 S 3 SGB 7 sind strenge Maßstäbe anzulegen, um eine Aufweichung der den Versicherten überwiegend begünstigenden abstrakten Schadensberechnung zu vermeiden.

5. Einem Antrag auf Einräumung einer Äußerungsfrist zu einem Sachverständigengutachten ist nur dann stattzugeben, wenn das Gutachten Tatsachen oder Wertungen in den Prozeßstoff einbringt, auf die sich die Beteiligten bisher nicht haben einstellen können. Kommt das Gutachten nicht zu unerwarteten Feststellungen, können die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ihr Recht auf Gehör wahrnehmen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.08.2000; Aktenzeichen B 2 U 15/00 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht eine Verletztenrente ab 1. Dezember 1997 auf Dauer abgelehnt hat.

Der ... 1965 geborene Kläger rutschte am 1. Dezember 1995 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kfz.-Mechaniker vom Trittbrett eines LKWs ab und fiel auf das rechte Knie. Er zog sich dabei eine Kniescheibenfraktur rechts zu. Die medizinische Erstversorgung erfolgte durch den Arzt für Chirurgie Dr. R, der den Kläger in das Kreiskrankenhaus H zur operativen Behandlung der Patellafraktur überwies.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. R das Rentengutachten vom 13. März 1997 und gelangte zu der Einschätzung, daß beim Kläger in der Zeit vom 9. April 1996 bis zum 4. März 1997 die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Unfallfolgen mit 30 v. H. einzuschätzen sei, für die Zeit vom 5. März 1997 bis auf weiteres mit 20 v. H.

Nach Einholung einer Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. B vom 20. April 1997 teilte die Beklagte dem Kläger durch Bescheid vom 29. Mai 1997 mit, daß er wegen der Folgen des Arbeitsunfalles einen Anspruch auf eine vorläufige Rente für die Zeit ab dem 9. April 1996 bis auf weiteres nach einer MdE um 20 v. H. habe. Als Folgen des Arbeitsunfalles erkenne sie an: In geringgradiger Fehlstellung knöchern fest verheilter Kniescheibenbruch rechts. Muskelminderung am Oberschenkel des rechten Beines. Posttraumatische Arthrose des Kniescheibengleitlagers. Minderung der Belastbarkeit des rechten Beines.

Die Beklagte holte später ein weiteres Gutachten zur Feststellung der Rente auf unbestimmte Zeit von Dr. R (13. August 1997) ein, in dem dieser die Auffassung vertrat, daß die MdE weiterhin mit 20 v. H. zu bewerten sei. Dieser Beurteilung vermochte sich der beratende Arzt der Beklagten Dr. B in seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 1997 nicht anzuschließen. Er vertrat vielmehr die Auffassung, daß nach den in dem Gutachten mitgeteilten Befunden die MdE lediglich mit 10 v. H. zu bewerten sei. Nach Anhörung entzog die Beklagte dem Kläger daraufhin durch Bescheid vom 25. November 1997 die vorläufige Rente mit Ablauf des Monats November 1997 und lehnte einen Anspruch auf Dauerrente ab 1. Dezember 1997 ab.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem am 3. Dezember 1997 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch. Zur Begründung trug er vor: Er könne das Knie nicht ordnungsgemäß beugen, keine Treppen steigen, nicht schwer heben sowie keine dauerhaften Belastungen auf dem rechten Knie ertragen. Es bestehe unverändert eine nachhaltige schmerzhafte Funktionseinschränkung des Kniegelenkes, so daß eine MdE um 20 v. H. entsprechend dem Gutachten von Dr. R begründet sei. Die Beklagte beauftragte daraufhin das Gutachteninstitut M-C in H mit der Erstattung eines fachchirurgischen Gutachtens, das von dem Arzt für Chirurgie Dr. E am 4. Mai 1998 erstellt wurde. Dieser gelangte gemeinsam mit dem Chirurgen M-C zu der Beurteilung, daß die MdE beim Kläger mit 10 v. H. einzuschätzen sei. Auf dieser Grundlage wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1998 zurück.

Hiergegen hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers am 14. Juli 1998 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben, zu deren Begründung er folgendes vorgetragen hat: Das Gutachten des medizinischen Gutachteninstit...

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