Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Richtgrößenregress. kein Ausschluss durch die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit. Anwendbarkeit der vom BSG entwickelten Maßstäbe zur Anwendung der vierjährigen Ausschlussfrist für die Richtgrößenprüfung auf die nunmehr gesetzlich geregelte zweijährige Ausschlussfrist. Wahrung der Frist auch bei Ablehnung einer Regressfestsetzung. Fristbeginn nach Ende des Kalenderjahrs des geprüften Verordnungszeitraums
Orientierungssatz
1. Die Festsetzung eines Regresses im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln ist nicht durch die Aufgabe der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeschlossen.
2. Die vom BSG entwickelten Maßstäbe zur Anwendung der vierjährigen Ausschlussfrist für die Richtgrößenprüfung (vgl BSG vom 16.6.1993 - 14a/6 RKa 37/91 = BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19) sind auch auf die nunmehr gesetzlich geregelte zweijährige Ausschlussfrist in § 106 Abs 2 S 2 SGB 5 in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) anzuwenden.
3. Der Prüfungsbescheid wahrt auch dann die Frist, wenn er die Festsetzung eines Regresses ablehnt.
4. Die Frist beginnt nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums, wobei auf ein volles Kalenderjahr als Verordnungszeitraum abzustellen ist (vgl BSG vom 18.8.2010 - B 6 KA 14/09 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 29 und vom 14.5.2014 - B 6 KA 13/13 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 44).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 9. Mai 20012 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 144.308,66 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein gegen den Kläger festgesetzter Regress im Rahmen der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Arznei- und Verbandmitteln nach Richtgrößen für die Kalenderjahre 2003 bis 2005 in Höhe von insgesamt 144.308,66 EUR.
Der Kläger war in L... als niedergelassener Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Dabei war er der Fachgruppe der hausärztlichen Internisten zugeordnet. Seine vertragsärztliche Tätigkeit gab er zum Ende des III. Quartals 2006 aus Altersgründen auf.
Bereits für die Kalenderjahre 2001 und 2002 stellte die Gemeinsame Prüfeinrichtung der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein - Kammer Prüfung Arznei - eine Überschreitung der Richtgrößen für die Arzneimittelverordnungskosten durch den Kläger fest und informierte den Kläger darüber mit Schreiben von August und Dezember 2004. Zu weiteren Maßnahmen ist es, soweit ersichtlich, nicht gekommen. Im Herbst 2006 erhielt der Kläger durch die Kammer Prüfung Arznei die Mitteilung, dass die Richtgrößen auch für das Kalenderjahr 2003 überschritten seien. Dagegen erhob er mit Schreiben vom 28. November 2006 Einwendungen. Er wandte sich gegen die Berücksichtigung von 23 anonymen Rezepten und wies darauf hin, dass sein Patientenstamm einen hohen Anteil von Rentnern und Diabetikern aufweise und dass er einige namentlich genannte teure Fälle behandele. Nachdem er mit Schreiben vom 11. Juli 2007 und 21. August 2007 über eine rechnerische Überschreitung der Richtgrößensumme auch für die Kalenderjahre 2004 und 2005 informiert worden war, nahm er mit Schreiben vom 6. September 2007 auf sein Schreiben vom 28. November 2006 Bezug und hielt die entsprechenden Einwendungen aufrecht.
Mit Bescheiden vom 14. Dezember 2007 entschied die Kammer Prüfung Arznei für die Kalenderjahre 2003 bis 2005, dass gegen den Kläger keine Maßnahme festgesetzt werde. Die Kammer Prüfung Arznei stellte dabei unter Herausrechnung der in der Anlage 2 zu der jeweiligen Richtgrößenvereinbarung aufgezählten Wirkstoffe und der in der Anlage 3 zu der jeweiligen Richtgrößenvereinbarung aufgezählten Indikationen sowie weiterer Minderungsfaktoren eine bereinigte Abweichung von den Richtgrößen für 2003 im Umfang von 109,72 %, für 2004 im Umfang von 59,34 % und für 2005 im Umfang von 70,39 % fest. Auch unter Berücksichtigung individueller Praxisbesonderheiten, insbesondere einzelner teurer Patienten, ergäbe sich ein rechnerischer Nettoregress für 2003 in Höhe von 40.309,84 EUR, für 2004 in Höhe von 45.596,30 EUR und für 2005 in Höhe von 58.402,52 EUR. Es würden aber keine Maßnahmen festgesetzt, denn die Kammerprüfung Arznei vertrete die Auffassung, dass die im Rahmen der Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs. 5a bis 5d Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) vorgesehenen Maßnahmen grundsätzlich nur gegenüber zum Zeitpunkt der Beschlussfassung noch als Vertragsärzte tätigen Ärzten eingeleitet werden dürften. Zu berücksichtigen sei, dass aktive Ärzte nach § 106 Abs. 5d SGB V die Möglichkeit hätten, durch eine zukunftsgerichtete individuelle Richtgrößenvereinbarung und deren Einhaltung die Erstattung des unwirtschaftlichen Mehraufwandes zu vermeiden. Es sei aus Gleichbehandlungsgründen nicht vertretbar, dass für z...