Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Klagebefugnis. Streit über die Rechtmäßigkeit der Fusion zweier Krankenkassen. Genehmigungsbescheide. Anfechtbarkeit durch Dritte
Leitsatz (amtlich)
Bescheide, die die Genehmigung der Fusion von Krankenkassen zum Inhalt haben, können nicht von Dritten angefochten werden. Insbesondere sind die Verbände der beteiligten Krankenkassen und andere Krankenkassen, die nicht Adressat des Bescheides sind, nicht klagebefugt.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Fusion der AOK Niedersachsen mit der IKK-Niedersachsen zu der Beigeladenen zu 1). Dabei geht es vorrangig um die Frage, ob die Klage wegen einer fehlenden Klagebefugnis bzw. eines fehlenden Feststellungsinteresses zulässig ist.
Im Jahre 2007 fusionierten der IKK-Landesverband Nord und der IKK-Landesverband Niedersachsen zum Kläger zu 1). Dabei umfasste der neue Landesverband die Bundesländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Ihm gehörten zunächst die IKK-Direkt, die IKK-Niedersachsen, die IKK-Weser/Ems und die Klägerin zu 2) an. Im Jahre 2008 fusionierten die IKK-Weser/Ems mit der HKK-Bremen zur heutigen HKK und im Jahre 2009 die IKK-Direkt mit der Techniker Krankenkasse zur heutigen Techniker Krankenkasse. Damit gehören dem Kläger zu 1) seit 2009 nur noch die Klägerin zu 2) und die IKK-Niedersachsen an.
Am 29. Januar und 4. Februar 2010 fassten die Verwaltungsräte der IKK-Niedersachsen und der AOK Niedersachsen gleichlautende Vereinigungsbeschlüsse, jeweils unter dem Vorbehalt des Ergebnisses der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle, und beantragten die Genehmigung der Fusion bei den Beklagten. Die Beklagte zu 1) informierte daraufhin den Kläger zu 1) über die mit Wirkung zum 1. April 2010 beantragte Vereinigung und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger zu 1) wies darauf hin, dass die Fusion seine Auflösung und die Rechtsnachfolge durch die Klägerin zu 2) zur Folge habe. Es bedürften noch diverse Sachverhalte der Klärung.
Die Beklagte zu 1) genehmigte die Fusion mit Bescheid vom 12. März 2010, der Beklagte zu 2) mit Bescheid vom 17. März 2010. Letzterer erfolgte unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle. Der Bescheid der Beklagten zu 1) wies auf die Unbedenklichkeit des Vorbehalts der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle in dem Beschluss der Verwaltungsräte hin. Zwar seien Vereinigungsbeschlüsse unbedingt und vorbehaltlos zu treffen. Da jedoch ausweislich der vorliegenden Bewertung des Bundeskartellamtes vom 5. März 2010 keine Gründe für eine Untersagung des Zusammenschlussvorhabens vorlägen und die Beteiligten damit den angesprochenen Vorbehalt als gegenstandslos ansähen, bleibe nunmehr für Zweifel über den Bestand des Vereinigungsbeschlusses kein Raum mehr.
Hiergegen richtet sich die von den Klägern zu 1) und zu 2) am 31. März 2010 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht zunächst als Anfechtungsklage erhobene Klage. Parallel dazu hatten die Kläger zu 1) und zu 2) beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt mit dem Ziel, festzustellen, dass die oben genannten Fusionsgenehmigungsbescheide nichtig seien und dass ihre Klage aufschiebende Wirkung habe. Dieser Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde vom Senat durch Beschluss vom 9. Juli 2010 aufgrund der fehlenden Antragsbefugnis der Antragsteller zurückgewiesen (L 5 KR 7/10 ER).
Zur Begründung ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass sie klagebefugt seien. Der Kläger zu 1) verweist darauf, dass er als Verband über eigene Rechte verfüge. Dies zeigten die §§ 207 Abs. 2 Satz 3, 211 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) und § 12 Abs. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Obgleich er nicht Adressat der Fusionsgenehmigungsbescheide sei, liege ein Eingriff in seine rechtlich geschützten Interessen vor. Er sei in seinem Bestandsinteresse betroffen, da er durch das Hinausfusionieren der IKK-Niedersachsen als vorletzte Mitgliedskasse untergehe. Er hätte zwingend an dem Verfahren beteiligt werden müssen, da dessen Ausgang rechtsgestaltende Wirkung für ihn habe. Die von ihm im Rahmen der Anhörung aufgeworfenen Fragen und Einwände seien ignoriert worden, so dass kein ordnungsgemäßes Anhörungsverfahren stattgefunden habe. Er sei daher befugt, Beteiligungsrechte nun im gerichtlichen Verfahren geltend zu machen.
Die Klagebefugnis der Klägerin zu 2) folge aus ihrer Verpflichtung als Rechtsnachfolgerin des untergegangenen Klägers zu 1), dessen Verbindlichkeiten von über 20 Millionen Euro übernehmen zu müssen. Sie habe daher die gleichen Beteiligungsrechte wie der Kläger zu 1). In der Sache sei die Klage begründet, da die angefochtene Fusion unwirksam bzw. nichtig s...