Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe in anderen Lebenslagen. Bestattungskosten. Bestattungsverpflichteter. Zumutbarkeitsprüfung. Einzelfallbetrachtung. Einkommenseinsatz über der Einkommensgrenze. keine analoge Anwendung des § 87 Abs 3 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der Begleichung der erforderlichen Bestattungskosten gem § 74 SGB 12 durch den Verpflichteten ist auch das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen.
2. Es ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung der wirtschaftlichen Situation geboten.
3. Keine analoge Anwendung des § 87 Abs 3 SGB 12; denn bei Bestattungskosten handelt es sich nicht um einmalige Leistungen zur Beschaffung von Bedarfsgegenständen. Aber Hinzuziehung des in § 87 Abs 3 SGB 12 zum Ausdruck kommenden Gedankens des Gesetzgebers dahingehend, dass sich der Einkommenseinsatz nicht lediglich an dem Einkommen orientiert, das im Monat des Entstehens der Zahlungsverpflichtung für die Bestattungskosten erzielt wurde, sondern darüber hinaus innerhalb eines Zeitraums von weiteren drei Monaten.
Orientierungssatz
Zum Personenkreis des Verpflichteten iS des § 74 SGB 12.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 28. August 2009 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Bestattungskosten.
Die im Jahre 1972 geborene Klägerin ist Tochter der am 30. Oktober 2005 verstorbenen G. T... Die Klägerin ist verheiratet und hat einen im Jahre 2002 geborenen Sohn.
Am 1. November 2005 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten, die sich auf insgesamt 3.686,63 EUR beliefen. Auf dem Girokonto der Mutter war noch ein Betrag von 542,87 EUR vorhanden. In der Antragsbegründung führte die Klägerin aus, ihre Mutter habe zuletzt Arbeitslosengeld II bezogen und kein Vermögen oder sonstiges Einkommen gehabt. Die Klägerin und ihr Mann befänden sich in der Privatinsolvenz.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2006 stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin einen Eigenanteil an den Bestattungskosten in Höhe von 1.645,29 EUR zu tragen habe. Die Zumutbarkeit der Übernahme der erforderlichen Bestattungskosten richte sich nach § 85 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Da sich der Mann der Klägerin in Privatinsolvenz befinde, sei bei der Berechnung lediglich das Einkommen der Klägerin berücksichtigt worden. Nach den eingereichten Rechnungen hätten die Bestattungskosten 2.843,00 EUR betragen, abzüglich des Eigenanteils verbleibe ein Betrag von 1.191,71 EUR, welcher aus Sozialhilfemitteln übernommen werde.
Mit ihrem dagegen gerichteten Widerspruch vom 14. Januar 2006 machte die Klägerin geltend, dass auch sie selbst sich in Privatinsolvenz befinde. Außerdem sei bei den Bestattungskosten die Rechnung des Friedhofes in H.-U... über 843,00 EUR nicht berücksichtigt worden.
Ferner habe der Beklagte bei der Berechnung des Eigenanteils die auf den Sohn entfallende Miete nicht berücksichtigt. Das Kindergeld für den Sohn dürfe nicht hinzugerechnet werden, ihre Beiträge zur privaten Krankenversicherung sowie die Fahrkosten aus Anlass des Erreichens des Arbeitsplatzes müssten in Abzug gebracht werden. Bei Berücksichtigung dieser Positionen ergäbe sich für sie kein zu zahlender Eigenanteil.
Während des Widerspruchsverfahrens überwies die Klägerin die auf dem Konto ihrer verstorbenen Mutter noch befindlichen 542,76 EUR an den Bestattungsunternehmer.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, zur Klärung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit im Sinne des § 74 SGB XII sei gemäß §§ 85 ff. SGB XII die jeweilige Einkommensgrenze zu ermitteln. Dabei sei auch das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen. Auf diese Weise verbleibe ein bereinigtes Einkommen von 3.033,95 EUR. Die Einkommensgrenze betrage 2.103,90 EUR, woraus ein monatlicher Einkommensüberhang in Höhe von 930,05 EUR resultiere. In analoger Anwendung von § 87 Abs. 3 SGB XII könne die Aufbringung des Einkommens über der Einkommensgrenze für vier Monate verlangt werden. Die Klägerin habe eine relativ enge Bindung zu ihrer Mutter gehabt, sodass es angemessen sei, den Einkommenseinsatz für vier Monate zu fordern. Das einzusetzende Einkommen betrage damit 3.720,20 EUR. Die Bestattungskosten beliefen sich nach Abzug des Nachlasses der Mutter der Klägerin auf 3.143,87 EUR, sodass es der Klägerin möglich sei, die Restkosten aus eigenen Mitteln zu finanzieren.
Dagegen hat die Klägerin am 25. Juli 2006 Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben. Von ihrem gemeinsamen Einkommen seien die privaten Krankenversicherungsbeiträge, Versicherungsbeiträge für die Unfallversicherung, die Risiko-Lebensversicherung für ihren Ehemann, die Zahnzusatzversicherung ihres Ehemannes sowie die Haftpflicht- und Hausratversicherung der Familie und schließlich ihre Studienge...