rechtskräftig: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Regress wegen unzulässiger Verordnung eines zulassungspflichtigen Arzneimittels („Granditropin”). Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. erfolgte Zulassung in einem anderen Staat. Einfuhrmöglichkeit. Schadensbegriff
Leitsatz (amtlich)
Zur Zulässigkeit eines Arzneimittelregresses bei der Verordnung eines nicht zugelassenen Arzneimittels („Granditropin” zur Behandlung des „Ulbrich-Turner-Syndroms” (Kleinwüchsigkeit)
Die Einfuhrmöglichkeit nach § 73 Abs. 3 Satz 1 AMG ist nicht mit der innerstaatlichen Zulassung eines Medikaments gleichzusetzen.
Zum Schadensbegriff bei der Verordnung eines nicht zugelassenen Arzneimittels; keine Gegenrechnung ersparter Aufwendungen.
Normenkette
SGB V § 106; Prüfvereinbarung(PV) Schleswig-Holstein § 12; SGB V §§ 27, 31, 2, 12; AMG §§ 21, 73
Verfahrensgang
SG Kiel (Urteil vom 08.06.2004; Aktenzeichen S 16 KA 514/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beigeladenen zu 1) wird dasUrteil des Sozialgerichts Kiel vom 8. Juni 2004 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) im gesamten Verfahren sind erstattungsfähig.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2) im gesamten Verfahren sind nicht erstattungsfähig.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Arzneimittelregresses für die Quartale IV/99 bis II/00.
Die Klinik für Allgemeine Pädiatrie der Klägerin (Universitätsklinikum S_________________) ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Die Beigeladene zu 1) stellte im August 2000 und November 2000 Anträge auf Prüfung eines besonderen Schadens im Hinblick auf die in den Quartalen IV/99, I/00 und II/00 erfolgte Behandlung der bei ihr versicherten, 1986 geborenen Patientin M. C. mit dem Medikament Granditropin. Dieses enthalte als Wirkstoff gentechnisch hergestelltes Somatropin und sei ein in Deutschland nicht zugelassenes Arzneimittel, welches gemäß § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) für einzelne Patienten eingeführt werden könne. In Deutschland seien mehrere Arzneimittel zugelassen und verfügbar, die ebenfalls gentechnisch hergestelltes Somatropin als Wirkstoff enthielten.
Mit Beschlüssen/Bescheiden vom 4. April 2001/27. August 2001 setzte der Prüfungsausschuss nach Anhörung der Klägerin Schadensersatz für die Quartale IV/99 und I/00 in Höhe von 46.427,04 DM und für das Quartal II/00 in Höhe von 17.410,14 DM fest. Er schloss sich in seiner Begründung im Wesentlichen der Antragsbegründung an. Die Frage nach der Qualität und Unbedenklichkeit von Granditropin stelle sich insbesondere, weil das Präparat lediglich in Georgien zugelassen sei, einem Land, in dem die Gleichwertigkeit der an eine Arzneimittelzulassung geknüpften Qualitätsstandards im Vergleich zu den hier geltenden Maßstäben mehr als fraglich erscheine.
Mit ihren dagegen jeweils gerichteten Widersprüchen trug die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Entscheidung des Prüfungsausschusses werde der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Es werde vorsorglich gerügt, dass die Beigeladene zu 1) mit ihrem Antrag vom 24. August 2000 (Quartale IV/99 und I/00) die Antragsfrist nach § 12 Abs. 4 Satz 3 der Prüfvereinbarung vom 13. Juni 1995 (im Folgenden: PV) nicht eingehalten habe. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen zu 1) verstoße die Verordnung des hier streitigen Präparates nicht gegen die Grundsätze, die das BSG in diversen Urteilen zur Verordnungs- und Erstattungsfähigkeit von Arzneimitteln entwickelt habe. Die Entscheidung des BSG vom 30. September 1999 (B 8 KN 9/98 KR R – „SKAT”) befasse sich mit dem indikationsfremden Einsatz eines Arzneimittels, um den es hier nicht gehe. Unabhängig davon habe das BSG in seinem Urteil ausdrücklich offen gelassen, ob ein zulassungsüberschreitend eingesetztes Medikament verordnungs- und erstattungsfähig sei. Das Urteil des BSG vom 08. März 1995 (1 RK 8/94 – „Edelfosin”) betreffe einen Fall, in dem das nach dem Arzneimittelgesetz vorgesehene Zulassungsverfahren noch nicht erfolgreich abgeschlossen gewesen sei. Das hier streitige Präparat Granditropin sei indes nach dem AMG nicht zulassungspflichtig. Entgegen der Ansicht des Prüfungsausschusses werde die Verordnung von Granditropin auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass zum Zeitpunkt der Verordnung wirkstoffgleiche, nach dem AMG zugelassene Arzneimittel verfügbar gewesen seien. Denn das etwaige Bestehen einer Versorgungslücke sei kein Tatbestandsmerkmal des § 73 Abs. 3 AMG. Unabhängig davon habe es sich auch bei dem Präparat Norditropin um ein Arzneimittel gehandelt, das bis Ende 1999 als nur in Dänemark zugelassenes Medikament in Deutschland nur nach § 73 Abs. 3 AMG habe eingeführt und verordnet werden dürfen; erst seit Dezember 1999 sei es nach dem AMG anerkannt. Entgegen der Annahme des Prüfungsausschusses werde das Präparat Granditropin nicht in Georgien, sondern in Österreich durch die Firma R_________ hergest...