Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Treppenlift. Hilfsmittel
Leitsatz (amtlich)
Ein in ein mehrgeschossiges Einfamilienhaus eingebauter Treppenlift ist als Hilfsmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erforderlich, weil damit ein behinderungsbedingtes Funktionsdefizit nur für einen engen örtlichen Bereich und wegen der konkreten räumlichen Gestaltung der Wohnung ausgeglichen wird.
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für den Einbau eines Treppenlifts.
Der am 15. Oktober 1959 geborene Kläger ist verheiratet und hat ein Kind. 1988 wurde bei ihm ein Beckentumor operativ entfernt. Nachdem 1993 ein Rezidiv aufgetreten war, wurde am 4. Februar d.J. die linke Beckenschaufel entfernt und eine Beckenteilprothese sowie eine Hüftendoprothese eingesetzt. Ausweislich des Attestes des Hausarztes vom 26. Juli 1994 besteht darüber hinaus eine inkomplette Läsion des Plexus lumbosakralis. Der Kläger bezieht Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Das Versorgungsamt hat nach dem Schwerbehindertengesetz einen Grad der Behinderung von 80 festgesetzt sowie die Merkzeichen "G", "aG" und "B" zuerkannt. Die Gehfähigkeit des Klägers ist erheblich eingeschränkt, nach seinem eigenen Bekunden kann er noch ungefähr 50 m mit Gehhilfen gehen.
Der Kläger bewohnt ein eigenes Einfamilienhaus, in dessen Erdgeschoß sich Wohnzimmer und Küche und in dessen Obergeschoß sich die Schlafzimmer und das Badezimmer befinden. Die verbindende Treppe ist viertelgewendelt. Der Kläger kann sie eigenen Angaben zufolge nicht mehr bewältigen. Er wiegt 100 kg. Seine Ehefrau, die teilzeitbeschäftigt ist, ist körperlich nicht in der Lage, ihn hinaufzubefördern. Der Kläger holte zwei Kostenvoranschläge für den Einbau eines Treppenlifts ein, die sich auf 22.500,00 DM und 23.402,50 DM beliefen.
Am 30. August 1994 beantragte er bei der Beklagten die Kostenübernahme für den Einbau eines Treppenlifts. Er legte hierzu eine Verordnung des Hausarztes, des Allgemeinarztes Dr. N vor, der zugleich attestierte, der Einsatz des Treppenlifts sei aus gesundheitlichen Gründen zum Erhalt oder zur Verbesserung des Gehvermögens, das durch Treppensteigen gefährdet würde, erforderlich. Hierbei handele es sich nicht nur um einen vorübergehenden Gesundheitszustand. Der Lift solle die selbständige Bewegungsfreiheit im Haus sicherstellen und diene nicht der Wiederaufnahme der Arbeit. Das Treppensteigen stelle für den Kläger und für eine Hilfsperson auch mit der Prothese und unter Hilfestellung ein hohes Sicherheitsrisiko dar. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 13. September 1994 den Antrag des Klägers ab und führte aus, der Lift stelle einen Gebrauchsgegenstand dar, der der Wiedereingliederung in das Berufsleben diene. Dafür könne sie die Kosten nicht übernehmen.
Bereits am 19. Juli 1994 hatte der Kläger von der Firma L L und A. GmbH ein Angebot eingeholt. Die Auftragsbestätigung der Firma datiert vom 25. August 1994. Am 22. September 1994 zahlte der Kläger die erste Rate. Der Lift wurde am 2. November 1994 installiert.
Mit seinem Widerspruch vom 28. September 1994 gegen die Entscheidung der Beklagten machte der Kläger geltend, der Lift sei ein Hilfsmittel, das die fehlende Körperfunktion ersetze bzw. ausgleiche. Er diene dazu, das selbständige Bewegen im Haus sicherzustellen. Das mit dem Treppensteigen für ihn verbundene Sicherheitsrisiko werde durch den Lift nahezu vollständig beseitigt. Insoweit berief er sich auf ergänzende Bescheinigungen von Dr. N vom 26. Juli und 15. September 1994. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1994 lehnte daraufhin die Beklagte den Antrag des Klägers erneut ab. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung hätten einen Anspruch auf die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die erforderlich seien, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen. Die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung hätten ein Hilfsmittelverzeichnis erstellt, fortgeschrieben und aktualisiert, in dem die zu gewährenden Hilfsmittel aufgeführt seien. Treppenlifte unterfielen nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Beklagte trug ferner vor, es handele sich um eine Eingliederungshilfe zur Verbesserung der Unterbringung in der Wohnung. Ihre Leistungspflicht erstrecke sich nur auf solche Hilfen, die unmittelbar bei der Behinderung des Versicherten ansetzten und einen weitgehenden Funktionsausgleich herbeiführten. Andere Hilfen, die der Eingliederung in das private, gesellschaftliche und berufliche Leben dienten und die auf das Umfeld des Behinderten einwirkten, unterfielen dem Leistungskatalog dagegen nicht. Es sei mit dem Solidaritätsprinzip und dem Gleichbehandlungsgebot nicht zu vereinbaren, wenn unterschiedlich hohe Kosten je nach dem individuellen Umfeld der Versicherten zu tragen wären. Mit sein...