Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Echthaarperücke. Erfüllung des Sachleistungsanspruchs durch Übernahme des im Versorgungsvertrag vereinbarten Preises. kein Recht des Leistungserbringers auf Zuzahlung durch den Versicherten. Anspruch des Leistungserbringers auf Mehrkosten nur bei Abgabe einer der im Versorgungsvertrag vereinbarten Form entsprechenden Mehrkostenerklärung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Krankenkassen erfüllen den Sachleistungsanspruch eines Versicherten auf die Versorgung mit einem Hilfsmittel durch die Übernahme des vertraglich nach § 127 Abs 1 SGB V dafür vereinbarten Preises (§ 33 Abs 7 SGB V).
2. Die Leistungserbringer sind nicht berechtigt, für das Hilfsmittel von dem Versicherten eine Zuzahlung zu verlangen.
3. Soweit vertraglich nach § 127 Abs 1 SGB V eine bestimmte Form der Mehrkostenerklärung vereinbart worden ist, dürfen Leistungserbringer von dem Versicherten Mehrkosten nach § 33 Abs 1 S 9 SGB V nur verlangen, wenn dieser die entsprechende Mehrkostenerklärung tatsächlich abgegeben hat.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 11. Juli 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Kosten sind im Klage- und Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kostenübernahme für eine Echthaarperücke, die die Klägerin über ein in Neumünster ansässiges Haarersatzstudio als Leistungserbringerin bezogen hat.
Die Beklagte und der Bundesverband der Zweithaarspezialisten e.V. (BVZ) vereinbarten am 4. März 2015 die Anwendung des nach § 127 Abs 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) mit Wirkung ab 1. August 2014 abgeschlossenen Vertrages des BVZ und der Ersatzkassen über die Versorgung mit Haarersatz in der jeweils gültigen Fassung (im Folgenden Referenzvertrag; § 2 der Vereinbarung der Beklagten mit dem BVZ). Gegenstand des Referenzvertrags ist die Regelung der Einzelheiten der Versorgung der Versicherten (der Ersatzkassen) mit Haarersatz im Rahmen des § 33 Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) durch den Mitgliedsbetrieb sowie die Abrechnung der Preise für die vertraglich vereinbarten Hilfsmittel (§ 1 Abs 1 Satz 1), dessen Inhalt im Folgenden auszugsweise wiedergegeben wird:
„Dieser Vertrag berechtigt den Mitgliedsbetrieb nur zur Abgabe solcher Hilfsmittel, für die er die Voraussetzungen gem. den Empfehlungen nach § 126 Abs 1 SGB V erfüllt und für die zum anderen eine Lieferung nach diesem Vertrag vereinbart ist (§ 1 Abs 1 Satz 2). Die Höhe des Betrages für vertraglich vereinbarte Hilfsmittel und Nebenleistungen (Beratung, Nachbetreuung sowie Ersatzlieferungen) ergibt sich nach § 4 Abs 4 des Referenzvertrages aus dem Anhang 1 (Hilfsmittelposition 24.00.18.0013, Echthaarersatz Erwachsene bis zu 769,00 EUR netto). Die Erhebung eines Eigenanteils / einer Aufzahlung gegenüber den Versicherten für die Versorgung mit Hilfsmitteln gemäß dieses Vertrags durch den Mitgliedsbetrieb ist mit Ausnahme der gesetzlichen Zuzahlungen unzulässig. Für den Fall, dass der Versicherte - trotz ausführlichen Hinweises und Beratung durch den Leistungserbringer - eine höherwertige Versorgung als medizinisch notwendig und vertraglich vereinbart ist, wünscht, hat der Leistungserbringer den Versicherten zu informieren, dass die Kasse die hierdurch entstehenden Mehrkosten nicht übernimmt. Dies ist schriftlich in Form einer Mehrkostenerklärung (Anlage 3) vom Versicherten zu bestätigen und vom Leistungserbringer festzuhalten und bei der jeweiligen Ersatzkasse auf Verlangen einzureichen. Eigenwünsche des Versicherten, die nicht der Leistungspflicht der Krankenkasse unterliegen, können nur mit dem Versicherten abgerechnet werden (§ 4 Abs 6 Satz 1 bis 4 Referenzvertrag).“
Die 1948 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert und seit Anfang 2014 an Alopezia totalis erkrankt. Sie wurde bereits 2014 erstmals von der Leistungserbringerin mit Haarersatz versorgt. Der Allgemeinarzt F stellte am 15. Februar 2017 eine Verordnung über eine Echthaarperücke aus. Die Leistungserbringerin erstellte das an die Beklagte adressierte Angebot vom 3. März 2017, die Klägerin mit medizinischem Haarersatz des Herstellers F1 zu einem Gesamtpreis in Höhe von 2.085,00 EUR (inklusive Zuzahlung in Höhe von 10,00 EUR) zu versorgen. Zur Akte gereicht wurde ein Formular, das im Wortlaut zunächst der Anlage 3 des Referenzvertrages (Mehrkostenerklärung) gleicht, im unteren Fünftel jedoch den Wortlaut „Ich habe diese Erklärung mit ihrem Wortlaut zur Kenntnis genommen, möchte sie so aber nicht unterschreiben“ enthält, den die Klägerin am 3. März 2017 unterzeichnete.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2017 - das mit „Kostenzusage für Ihre Versorgung mit einer Perücke (Echthaar)“ überschrieben ist - mit, nach dem vorliegenden Kostenvoranschlag der Leistungserbringerin vom 3. März 2017 für das beantragte Hilfsmittel Kosten in Höhe von 905,11 EUR zu überneh...