Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursausfallgeld. Ablehnung des Konkursverfahrens als unzulässig. Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Offensichtlichkeit. Führung des Beitragsnachweises durch Einzugstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Die Stellung eines Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens schließt die Anwendbarkeit von § 141b Abs 3 Nr 2 AFG nicht (mehr) aus, wenn er als unzulässig abgelehnt worden ist.
2. § 141b Abs 3 Nr 2 AFG setzt nicht voraus, daß der Arbeitgeber im Geltungsbereich des Gesetzes einen Konkursgerichtsstand hat.
3. Zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Offensichtlichkeit iS von § 141b Abs 3 Nr 2 AFG.
4. Der nach § 141n Abs 1 S 2 AFG erforderliche Beitragsnachweis kann auch anders als durch schriftlichen Beitragsbescheid geführt werden.
Verfahrensgang
SG Kiel (Urteil vom 18.02.1987; Aktenzeichen S 2 Ar 397/85) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 18. Februar 1987 und der Bescheid der Beklagten vom 5. November 1985 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Mahngebühren und Säumniszuschlägen in Höhe von 2 144,30 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat der Klägerin und den Beigeladenen die ihnen entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der von der Beklagten durch Bescheid abgelehnte Anspruch der Klägerin auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge nebst Mahngebühren und Säumniszusch ägen aus der Konkursausfallgeld (Kaug)-Versicherung.
Der italienische Staatsangehörige G… F… (GF) war beim Amt H… vom 12. Juli bis 6. September 1984 (Datum der Abmeldung von Amts wegen) behördlich als in … H… wohnhaft gemeldet. Während dieser Zeit betrieb er hier vorübergehend bis 31. August eine Gaststätte, verschuldete sich in einer Größenordnung von ca. 50 000,00 DM und setzte sich dann – ohne Vermögen zu hinterlassen – mit sämtlicher Habe ins Ausland ab, den Ermittlungen der Klägerin zufolge nach Frankreich oder Italien. Sein Aufenthaltsort war und ist einbekannt.
Am 28. September 1984 meldete die Klägerin vorsorglich unter Benennung des GF ihre Forderung auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen aus der Kaug-Versicherung bei der Beklagten an. Am 18. Januar 1985 bezifferte sie ihren Anspruch auf 2 144,30 DM. nämlich 2 082,70 DM aus Beschäftigungen der Arbeitnehmer
W… … S… vom 2. Juli bis 22. August 1984,
M… P… vom 1. bis 31. August 1984 und
E… F… vom 1. bis 31. August 1984
nebst Mahngebühren von 18,00 DM und Säumniszuschlägen von 43,60 DM. Sie gab dazu an, GF habe die Betriebstätigkeit am 31. August 1984 vollständig beendet und sei die Beiträge wegen Zahlungsunfähigkeit schuldig geblieben. Eine Eröffnung des Konkursverfahrens komme offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht. Nach ihren Ermittlungen schulde GF seinem Verpächter noch etwa 42 800,00 DM. Lieferanten etwa 11 000,00 DM sowie etwa 800,00 DM an Lohn- und Kirchensteuer. Eine nach den Beigeladenen zu 2) bis 4) aufgeschlüsselte Beitragsberechnung legte die Klägerin erst während des Gerichtsverfahrens mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1987 vor.
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 5. November 1985 ab, weil kein Kaug-Versicherungsfall eingetreten sei. Allein daß GF unter Hinterlassung von Schulden womöglich nach Italien zurückgekehrt sei, lasse nicht darauf schließen, daß eine kostendeckende Masse fehle.
Mit ihrer dagegen gerichteten am 5. Dezember 1985 beim Sozialgericht Kiel eingegangenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, ihr Anspruch sei gemäß §§ 141n und 141b Abs. 3 Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) begründet. Der Versicherungsfall im Sinne dieser Vorschriften liege vor, weil die äußeren Umstände dafür sprächen, daß die Eröffnung eines Konkursverfahrens mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei. Sie hat eine Erklärung des G… … aus G… vom 13. Februar 1987 vorgelegt. Diesem soll GF danach etwa 12 000,00 DM aus Pachtrückständen sowie Schadensersatz wegen Entwendung einer Musikanlage schulden und H… wegen finanzieller Schwierigkeiten fluchtartig verlassen haben.
Die Klägerin und auch die Beigeladene zu 1) haben beantragt,
den Bescheid vom 5. November 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2 244,31 DM nebst Verzinsung gemäß § 24 SGB IV ab 1. April 1985 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie im wesentlichen den Inhalt des angefochtenen Bescheides wiederholt.
Mit Urteil vom 18. Februar 1987 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und dazu im wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei unbegründet, weil ein Insolvenzereignis im Sinne der allein einschlägigen Vorschrift des § 141b Abs. 3 Nr. 2 AFG nicht eingetreten sei. Danach müsse u. a. ein Konkursverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers offensichtlich mangels Masse nicht n Betracht kommen. Daraus, daß GF sich unter Hinterlassung von Schulden mit unbekanntem Aufenthalt ab...