Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit. Entscheidung über ein rechtsmissbräuchliches oder offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Umzugs- und Wohnungsbeschaffungskosten. Erforderlichkeit des Umzugs aus gesundheitlichen Gründen. Amtsermittlungspflicht

 

Orientierungssatz

1. Abweichend von § 60 Abs 1 SGG iVm § 45 ZPO darf der abgelehnte Richter selbst über ein missbräuchliches oder sonst offensichtlich unzulässiges Ablehnungsgesuch mitentscheiden; in solchen Fällen bedarf es keiner gesonderten Entscheidung über das Ablehnungsgesuch (vgl BSG vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B = SozR 4-1500 § 60 Nr 4).

2. Die Erforderlichkeit eines Umzugs aus gesundheitlichen Gründen ist im Einzelfall auf Grundlage einer objektiv-nachträglichen Prognose auf Grundlage gesicherter ärztlicher Befunde nachzuvollziehen; das bloße subjektive Empfinden der leistungsberechtigten Person, im näheren Umfeld naher Angehöriger besser aufgehoben zu sein, reicht für einen Anspruch nach § 22 Abs 3 S 2 SGB 2 aF nicht aus (vgl BSG vom 6.5.2010 - B 14 AS 7/09 R = BSGE 106, 135 = SozR 4-4200 § 22 Nr 37, RdNr 17).

3. Die Pflicht zur Amtsermittlung hat das SGG den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen, die ihr unabhängig vom Willen und der Interessenlage der Prozessbeteiligten zu entsprechen haben. Damit unvereinbar wäre es, dass Ermittlungen zum Sachverhalt durch einen Prozessbeteiligten nach dessen Gutdünken gesteuert oder gefiltert werden oder Beweisfragen nur nach Vorprüfung durch die Beteiligten gestellt werden dürften (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 19.6.2015 - L 9 KR 492/14 = juris RdNr 22).

 

Normenkette

SGG § 60 Abs. 1; ZPO § 45 Abs. 2, § 43; SGB II § 22 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2, Abs. 6 S. 2; SGG § 103 S. 1, § 128 Abs. 2

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.12.2017; Aktenzeichen B 14 AS 4/17 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Schleswig vom 21. November 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistungen für einen Umzug von F. nach R., für die Einlagerung ihrer Möbel sowie im Wege eines Überprüfungsverfahrens höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Die 1950 geborene Klägerin stand in der Zeit von Juli 2006 bis Juli 2007 im Bezug von laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beim Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Im Jahr 2006 wurde bei der Klägerin ein beidseitiges Weitwinkelglaukom mit erheblicher Schädigung des Sehnervs diagnostiziert. Die Klägerin war seit dem 1. Februar 2007 (bis zum 31. Dezember 2007) Mieterin der Wohnung in der J. Straße in F., hielt sich jedoch seit Januar 2007 bei ihrer Tochter in der D.straße in S. bei R. im Bereich des Beklagten auf. Dort wohnte die Klägerin mietfrei und teilte sich das Zimmer mit ihrem Enkel. Während dieser Zeit hielt sich die Klägerin zweimal stationär im Universitätsklinikum K. zur operativen Behandlung des Weitwinkelglaukoms auf (26. Juni 2007 bis 1. Juli 2007 und 27. August bis 5. September 2007).

Seit dem 2. August 2007 bis zum 28. Februar 2010 (Aufnahme laufender Zahlungen aus einer der Klägerin mit Rentenbescheid vom 15. Januar 2010 mit Wirkung vom 1. Juli 2009 gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung) stand die Klägerin dann im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten, nachdem das Sozialgericht Neuruppin mit Beschluss vom 8. Oktober 2007 (Az.: S 1 AS 1002/07 ER) festgestellt hatte, dass sich ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort seit Februar 2007 nicht in ihrer Wohnung in der J.Straße in F., sondern bei ihrer Tochter im Zuständigkeitsbereich des Beklagten befunden habe. Die von der Klägerin beantragten Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Wohnung in F. lehnte der Beklagte ab und gewährte bis zum 31. Dezember 2007 lediglich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe der Regelleistung. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 gewährte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 347,00 EUR.

Gegenüber dem Beklagten erklärte die Klägerin am 12. Dezember 2007, in R. eine Wohnung anmieten zu wollen, da ihre Tochter ebenfalls umzuziehen beabsichtige und sie sich mit dem Lebensgefährten ihrer Tochter überworfen habe. Die Wohnung in F. wolle sie jedoch nicht kündigen und behalten.

Am 27. Dezember 2007 beantragte sie die Zustimmung zum Umzug in die Wohnung B.Straße in R. Für die 3-Zimmerwohnung (64,47 qm) sollte die Bruttokaltmiete ausweislich des am 21. Dezember 2007 von der Klägerin unterschriebenen Mietvertrages 301,65 EUR (263,68 EUR Nettokaltmiete zuzüglich 37,97 EUR Betriebskostenvorauszahlung) zzgl. Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 46,02 EUR betragen. Am 27. Dezember 2007 wurde die Wohnung laut Übergabeprotokoll an die Klägerin übergeben. Zum 1. Januar 2008 bezog die Klägerin di...

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