Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfeanspruch. Wehrdienst. Dänemark. Freizügigkeit. Grenzgängereigenschaft. Lebensmittelpunkt. Wohnsitz

 

Orientierungssatz

1. "Wehrdienst" iS des § 134 Abs 2 Nr 2 AFG meint lediglich den aufgrund einer nach deutschem Recht bestehenden Wehrpflicht. Damit werden nur die Fälle inländischer Dienstpflichten von der Vorschrift erfaßt.

2. Die Voraussetzungen des Art 71 Abs 1 Buchst a Ziff ii sowie Buchst b Ziff i der EWGV 1408/71, die zu einer Ausnahme von den Regelungen des Art 67 Abs 3 EWGV 1408/71 führen können, liegen nicht vor, wenn der Arbeitslose während der Ableistung des Grundwehrdienstes in einen anderem Mitgliedstaat nicht Grenzgänger iS Art 1 Buchst b EWGV 1408/71 war.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Arbeitslosenhilfe. In dem Zusammenhang geht es um die Frage, ob ein in Dänemark abgeleisteter Grundwehrdienst auf die Anwartschaftszeit anzurechnen ist.

Der am 1975 geborene unverheiratete Kläger besitzt die deutsche und die dänische Staatsangehörigkeit. Vom 1. Oktober 1995 bis um 31. Juli 1996 leistete er in Dänemark seinen Grundwehrdienst ab. Zuvor hatte er keine Beschäftigung ausgeübt. Am 15. August 1996 meldete er sich bei der Beklagten arbeitslos, beantragte Arbeitslosenhilfe (Alhi) und stellte sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Er gab im Antrag an, keine Tätigkeit auszuüben und keine Einkünfte oder Ansprüche zu haben sowie mit keinem Lebenspartner zusammenzuleben. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 18. September 1996 ab und führte aus, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, denn er habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung nicht mindestens 150 Kalendertage eine Beschäftigung ausgeübt, die der Erfüllung der Anwartschaft diene. Auch andere Sachverhalte begründeten keine Anwartschaftszeit. Der Wehrdienst in Dänemark gelte auch unter Berücksichtigung des Rechtes der Europäischen Gemeinschaft nicht als gleichgestellte Zeit im Sinne der Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).

Gegen die Entscheidung legte der Kläger am 7. Oktober 1996 Widerspruch ein. Er führte aus, als dänischer und deutscher Staatsangehöriger habe er die Wahlmöglichkeit, in einem der beiden Staaten den Wehrdienst abzuleisten. Dieser Wehrdienst werde auf die Wehrpflicht im jeweils anderen Staat angerechnet. Hierzu legte der Kläger u.a. das Schreiben des Kreiswehrersatzamtes Schleswig vom 7. Oktober 1994 vor, demzufolge eine nachgewiesene Dienstzeit in Dänemark auf den Wehrdienst in der Bundesrepublik Deutschland angerechnet werde. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. November 1996 zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe setze als Anwartschaftszeit eine Beschäftigung von mindestens 150 Kalendertagen innerhalb des letzten Jahres voraus. Einer Beschäftigung ständen Zeiten eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, insbesondere als Beamter, Richter, Berufssoldat und Soldat auf Zeit oder Zeiten des Wehrdienstes oder Zivildienstes aufgrund der Wehrpflicht sowie des Polizeivollzugsdienstes im Bundesgrenzschutz aufgrund der Grenzschutzdienstpflichten gleich. Hierbei müsse es sich jedoch um Dienstzeiten bei einem inländischen Hoheitsträger handeln. Da der Kläger seine Wehrdienstzeit nicht bei der Bundeswehr, sondern bei den dänischen Streitkräften absolviert habe, könne er keine gleichgestellte Zeit nachweisen.

Gegen die am 16. November 1996 zugestellte Entscheidung richtet sich die Klage, die der Kläger am 25. November 1996 beim Sozialgericht Schleswig erhoben hat. Er hat erneut darauf hingewiesen, daß der bei den dänischen Streitkräften absolvierte Wehrdienst einem Wehrdienst bei der Bundeswehr gleichgestellt sei. Unter Vorlage der Bescheinigung des Kreiswehrersatzamtes vom 14. Januar 1997 hat er vorgetragen, daß der dänische Wehrdienst in vollem Umfang auf die hiesige Wehrdienstpflicht angerechnet werde.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 18. September 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. November 1996 aufzuheben und die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 15. August 1996 bis zum 6. April 1997 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die in den angefochtenen Bescheiden vertretene Rechtsauffassung bekräftigt.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 27. Oktober 1997 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Zeiten eines Wehrdienstes seien zwar einer Beschäftigung gleichgestellte Zeiten. Das gelte aber nicht für einen in Dänemark abgeleisteten Wehrdienst. Es müsse sich bei den gleichgestellten Zeiten um Dienstzeiten bei einem inländischen Hoheitsträger handeln. Die Bestimmung über die Gleichstellung von Dienstzeiten mit Beschäftigungszeiten könne nicht erweiternd ausgelegt werden. Sie diene dem Ziel, die fehlende Versicherungspflicht bestimmter Tätigkeitsarten auszugleichen. Bei dem Ausgleich habe der Gesetzgeber Gestaltungsfreiheit. Er h...

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