Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Korrektur einer bestandskräftig gewordenen Honorarabrechnung. Vergütung der von einer Notfallambulanz erbrachten Leistungen
Orientierungssatz
1. Die beantragte Berichtigung eines Honorarbescheides kann nicht auf die Vorschrift des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB 10 gestützt werden. Das ärztliche Honorar ist keine Sozialleistung i. S. dieser Vorschrift. Ein Berichtigungsanspruch des Vertragsarztes ist auf § 44 Abs. 2 SGB 10 zu stützen, der auch auf ärztliche Honorarforderungen anwendbar ist (BSG Urteil vom 17. 9. 2008, B 6 KA 16/97 R).
2. Auch bei einem rechtswidrigen Verwaltungsakt gibt § 44 Abs. 2 SGB 10 keinen Anspruch auf eine Korrektur des bestandskräftigen Verwaltungsaktes, sondern lediglich auf eine ermessensfehlerfrei Entscheidung darüber, ob es bei dem bestandskräftigen Verwaltungsakt verbleiben oder ob dessen Korrektur bzw. Rücknahme vorgenommen werden soll. Die rückwirkende Aufhebung einer bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung kann unmittelbar nur im Fall einer Ermessensreduzierung auf Null verlangt werden, d. h. dass dann der Behörde kein Ermessensspielraum eröffnet ist.
3. Der Begriff "Gesamtvergütung" in § 85 Abs. 1 SGB 5 stellt klar, dass die Krankenkassen mit dieser Vergütung die Gesamtheit der von der Kassenärztlichen Vereinigung gemäß § 75 Abs. 1 SGB 5 sicherzustellenden vertragsärztlichen Versorgung abgelten. Mit der Zahlung der Gesamtvergütung sind alle Vergütungsansprüche für vertragsärztlich erbrachte Leistungen für den jeweiligen Vergütungszeitraum abgegolten.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 8. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über eine nachträgliche Korrektur der bestandskräftig gewordenen Honorarabrechnungen der Klägerin für die Quartale IV/2008 bis I/2013.
Die Klägerin ist Trägerin der ... -Kliniken in ... und betreibt das Krankenhaus ... , dem eine Notfallambulanz angegliedert ist. Die Ambulanz ist für die Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen. In den Quartalen IV/2008 bis I/2013 rechnete die Klägerin nach eigenen Angaben die Zusatzpauschalen für die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw. im organisierten Not(-fall)dienst 01211, 01215, 01217 und 01219 des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) ab, die die Beklagte gemäß Kapitel II Ziffer 1.2.4 EBM berichtigte. Am 12. Dezember 2012 entschied das Bundessozialgericht (BSG - B 6 KA 3/12 R), dass der Ausschluss der Abrechnung der Zusatzpauschalen durch die Krankenhausambulanzen gemäß Kapitel II Ziffer 1.2.4 EBM rechtswidrig sei.
Am 29. November 2013 beantragte die Klägerin eine Abänderung der Honorarbescheide für die Quartale IV/2008 bis I/2013. Im Einzelnen begehrte sie die Bewertung der erbrachten Leistungen nach der Gebührenordnungsposition (GOP) 01218 des EBM 2005 statt mit 200 mit 500 Punkten und führte hierzu aus, das BSG habe bereits im Urteil vom 17.9.2008 - B 6 KA 46/07 R entschieden, dass die ungleiche Bewertung der Notfallgrundpauschale für die Notfallambulanzen in der GOP 01218 gegenüber der Pauschale für die niedergelassenen Ärzte gemäß GOP 01210 in dem von 2005 bis 2007 geltenden EBM rechtswidrig sei. Eine gleiche Vergütung der Leistungen für niedergelassene Ärzte und für Krankenhäuser sei daher erforderlich. Der Bewertungsausschuss (BewA) habe nach dem BSG-Urteil vom 17.9.2008 die Zusatzpauschalen eingeführt, die jedoch nur von niedergelassenen Vertragsärzten abgerechnet werden dürften. Diese Pauschalen für die Besuchsbereitschaft gemäß Ziffern 01211, 01215, 01217 und 01219 EBM müssten nachvergütet werden. Bereits mit dem Urteil vom 17.9.2008 habe das BSG festgestellt, dass die Honorare der Krankenhäuser für die Notfallversorgung denen der niedergelassenen Ärzte gleichgestellt werden müssten. Die nach dem Urteil eingeführten Bereitschaftspauschalen 01211, 01215, 01217 und 01219 stellten eine offenkundige Benachteiligung der Krankenhaus-Ambulanzen dar. Dies hätte die Beklagte erkennen müssen. Stattdessen habe sie bis 2013 sachliche Korrekturen der Abrechnungen vorgenommen. Die Krankenhäuser hätten lediglich aus Gründen der Erfolglosigkeit die Honorarkürzungen nicht angefochten. Die Beklagte habe den Grundsatz von Treu und Glauben verletzt, sodass ihr Ermessen bei der Entscheidung über die Rücknahme der Honorarbescheide auf Null reduziert sei. Ferner hielt die Klägerin die Streichung der Leistungsposition 27320 EBM (EKG) für rechtswidrig.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 25. Juni 2014 die Überprüfung der Honorarbescheide ab. Sie führte aus, die Bescheide seien bestandskräftig. Deren Änderung verbiete sich aus Gleichbehandlungsgründen, weil dann auch alle anderen bestandskräftigen fehlerhaften Entscheidungen aufzuheben wären. Dies würde einen hohen Verwaltungsaufwand und einen Eingriff in die aktuelle Ver...