Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche Beitragsbelastung in der sozialen und der privaten Pflegeversicherung mit GG Art 3 Abs 1 vereinbar. kein Erlöschen einer Beitragsnachforderung durch Verwirkung
Orientierungssatz
1. Die unterschiedliche Beitragsbelastung in der sozialen und der privaten Pflegeversicherung ist verfassungskonform. Insbesondere verlangt Art 3 Abs 1 GG nicht, dass Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung einerseits und die Prämien in der privaten Pflegeversicherung andererseits gleich bemessen werden (vgl BVerfG vom 3.4.2001 - 1 BvR 1681/94 = SozR 3-3300 § 23 Nr 3).
2. Ein Unterlassen kann ein schutzwürdiges Vertrauen nur dann begründen und zur Verwirkung eines Rechts führen, wenn der Schuldner das Nichtstun des Gläubigers nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten darf (hier: Beitragsnachforderung eines privaten Krankenversicherungsunternehmens zur privaten Pflegeversicherung) (vgl BSG vom 29.1.1997 - 5 RJ 52/94 = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6).
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 26. April 2005 geändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.153,32 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) auf 1.755,02 € seit dem 7. August 2002 sowie in Höhe desselben Zinssatzes auf weitere 345,55 € seit dem 15. März 2003 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Mahnverfahrens.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Beitragsforderungen des Klägers.
Der 1922 geborene Beklagte ist nach Angaben der Prozessbevollmächtigten des Klägers seit dem 1. Januar 1981 bzw. nach eigenen Angaben bereits seit 1952 bei dem Kläger, einem privaten Krankenversicherungsunternehmen in der Form des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit, privat krankenversichert. Die Beiträge für die private Krankenversicherung wurden und werden vom Beklagten regelmäßig und fortlaufend gezahlt.
In Folge des In-Kraft-Tretens des Pflegeversicherungsgesetzes zum 1. Januar 1995 informierte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom Oktober 1994 über seine Pflicht, bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen entsprechenden Versicherungsvertrag abzuschließen. Das Schreiben enthielt neben den einschlägigen Bedingungen, Tarifen und gesetzlichen Bestimmungen den Hinweis, dass der Beklagte bis 30. Juni 1995 die Möglichkeit habe, eine private Pflegeversicherung auch bei jedem anderen Pflegeversicherer abzuschließen. Zugleich wurde dem Beklagten eine vierwöchige Widerspruchsfrist gegen den Vertragsschluss eingeräumt. Unter dem Datum vom 1. November 1994 übersandte der Kläger dem Beklagten einen Versicherungsschein über das Bestehen einer Pflegeversicherung ab 1. Januar 1995 mit einem entsprechenden Informationsschreiben. Der Beklagte reagierte auf diese Schreiben nicht.
Der Beklagte leistete in der Folge keine Beiträge zur Pflegeversicherung. Aufgrund einer Einzugsermächtigung versuchte der Kläger den Monatsbeitrag für Januar 1995 (umgerechnet 29,91 €) einzuziehen. Am 9. Januar 1995 erfolgte jedoch eine Rücklastschrift über diesen Betrag, so dass eine Zahlung ausblieb. Unter dem 1. Juli 1995 versuchte der Kläger erneut mit der dort vorliegenden Einzugsermächtigung die bis zu diesem Zeitpunkt fälligen Beiträge in einer Gesamthöhe von umgerechnet 209,37 € (7 x 29,91 €) einzuziehen. Unter dem 7. Juli 1995 erfolgte wiederum eine Rücklastschrift. Letztmalig versuchte der Kläger einen Monat später am 1. August 1995 von der dort vorliegenden Einzugsermächtigung Gebrauch zu machen. Auch hier erfolgte eine Rücklastschrift (8. August 1995). Die monatlichen Beiträge für die Pflegeversicherung des Beklagten beliefen sich ab 1. Januar 1995 auf (umgerechnet) 29,91 €, ab 1. Juli 1996 auf (umgerechnet) 52,15 €, ab 1. Januar 1997 auf (umgerechnet) 53,46 €, ab 1. Januar 1998 auf (umgerechnet) 54,76 €, ab 1. Januar 1999 auf (umgerechnet) 55,41 €, ab 1. Januar 2000 auf (umgerechnet) 56,07 €, ab 1. Januar 2001 auf (umgerechnet) 56,71 €, ab 1. Januar 2002 auf 57,38 € und ab 1. Januar 2003 auf 58,65 €.
Auf Antrag des Klägers erließ das Amtsgericht Lüneburg gegen den Beklagten am 31. Juli 2002 einen Mahnbescheid über 1.755,02 € für die Beiträge zur Pflegeversicherung von Januar 2000 bis 31. Juli 2002 zuzüglich 6,5 % Zinsen ab dem 1. August 2002 und 36,50 € Gerichtskosten, insgesamt also 1.791,52 €. Gegen diesen ihm am 7. August 2002 zugestellten Mahnbescheid legte der Beklagte am 21. August 2002 beim Amtsgericht Lüneburg Widerspruch ein, in dem er zur Begründung mitteilte, dass ihm zwar bewusst sei, dass er Beiträge zur Pflegeversicherung zu zahlen habe, er aber nicht mit der Höhe einverstanden sei. Daraufhin gab das Amtsgericht Lüneburg mit Beschluss vom 2. Oktober 2003 das Verfahren an das Sozialgericht (SG) Lübeck ab. Zuvor hatte d...