Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft ist nach § 2 Abs. 2 SGB 9 die Feststellung eines GdB von 50 erforderlich.
2. Aus einem GdB von 40 für eine depressive Erkrankung und zwei GdB-Werten von jeweils 20 für ein Wirbelsäulenleiden und eine Hüfterkrankung ist ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 10. Oktober 2019 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 sowie die Zuerkennung des Merkzeichens „G“; streitig ist im Rahmen des Berufungsverfahrens nur die Feststellung der Schwerbehinderung.
Die am ... 1953 geborene Klägerin beantragte im März 2013 wegen Depressionen, Burn out und Funktionsstörungen der Wirbelsäule die Feststellung eines GdB. Nach Befundeinholung bei den die Klägerin behandelnden Ärzten und gutachtlicher Stellungnahme nach Aktenlage durch den Beklagten wurde mit Feststellungsbescheid vom 16. Dezember 2013 ein GdB von 20 zuerkannt. Diese Feststellung gründete auf den festgestellten depressiven Störungen; Störungen der Wirbelsäule hätten nicht festgestellt werden können. Am 4. Juni 2015 stellte die Klägerin bei dem Beklagten einen Änderungsantrag. Es sei eine paranoide Schizophrenie bei ihr festgestellt worden. Darüber hinaus hätten sich ihre Depressionen und ihre Funktionsstörung der Wirbelsäule erheblich verschlimmert. Es sei ihr ein höherer GdB und das Merkzeichen „G“ zuzuerkennen. Nach versorgungsärztlicher Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 4. September 2015 der Klägerin einen GdB von 40 zu. Im Übrigen lehnte er den Antrag der Klägerin ab. Als Funktionsbeeinträchtigungen sind in dem Bescheid die depressiven Störungen sowie eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen aufgeführt. Hiergegen erhob die Klägerin am 18. September 2015 Widerspruch; die psychischen Beeinträchtigungen seien so intensiv, dass diese allein einen GdB von 50 rechtfertigten. Sie leide an Panikattacken, unergründlichen Ängsten, Konzentrationsstörungen und abwechselnd dazu unter Depressionen, die ihr eine Teilhabe am alltäglichen Leben kaum ermöglichten. Sie könne auch nur noch 10 Minuten gehen, weil die Schmerzen von der Wirbelsäule ins linke Bein ausstrahlten. Der Beklagte holte eine erneute Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes vom 13. August 2016 ein. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2016 als unbegründet zurück. Eine über die bereits festgestellte wesentliche Änderung hinausgehende Verschlimmerung der depressiven Störungen und der Funktionsstörungen der Wirbelsäule hätten nicht festgestellt werden können. Als weitere Funktionsstörung nahm der Beklagte eine rheumatoide Arthritis mit auf. Die Voraussetzungen des Merkzeichens G seien nicht erfüllt. Nach Erlass des Widerspruchsbescheids wandte sich die Tochter der Klägerin, die sie im anschließenden Klagverfahren auch vertrat, an den Beklagten, weil die Schizophrenie nicht berücksichtigt worden sei. Im Weiteren gelangten zur Akte ein Bericht der D ... anstalt F ..., Klinik für Psychiatrie, über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 23. September bis 29. Oktober 2013 und eine ärztliche Bescheinigung der Psychiatrien Tagesklinik H ..., B ... SH über eine tagesklinische Behandlung der Klägerin vom 27. November 2013 bis 7. April 2014.
Mit ihrer am 23. Dezember 2016 beim Sozialgericht Itzehoe erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Ziel weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft und einen radiologischen Befundbericht vom 22. Februar 2018 vorgelegt. Die bei der Klägerin vorliegende Schizophrenie sei zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 04. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2016 wird der Beklagte verpflichtet, bei der Klägerin ab dem 04. Juni 2015 einen Gesamt GdB von mindestens 50 von Hundert festzustellen sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ festzustellen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat der Beklagte seine Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und Widerspruchsbescheid wiederholt und vertieft.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Befund- und Behandlungsberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt: Bericht des Allgemeinarztes Dr. med. C ... _ vom 31. Januar 2018, des Psychotherapeuten J ... vom 10. Februar 2018 und des Allgemeinarztes Dr. med. Ba ... . Eingeholt wurde zudem ein Bericht der P...