Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Zulässigkeit von Individualbudgets, Fallwertgrenzen oder Fallzahlgrenzen. individuelle Punktzahlvolumina ≪IPZV≫. Vorgaben des Bewertungsausschusses. keine Ausnahme von kleiner Praxis mit unterdurchschnittlichem Honorarvolumen. Bildung von Startquartalen bei Einführung von IPZV- Privilegierung neugegründeter Praxen durch Entwicklungszeitraum

 

Orientierungssatz

1. Die Bildung eines Individualbudgets ist ebenso zulässig wie Fallwertgrenzen oder auch Fallzahlgrenzen (vgl BSG vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R = BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr 5).

2. Mit der Einführung von individuellen Punktzahlvolumina (IPZV) hat eine Kassenärztliche Vereinigung den Vorgaben aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 19.12.2002 Rechnung getragen.

3. Ein Vertragsarzt hat aufgrund der Tatsache, dass er kleine Praxis mit unterdurchschnittlichem Honorarvolumen betreibt, keinen Anspruch darauf, von einer Begrenzung der Honorarsteigerung ausgenommen zu werden. Entsprechende Anforderungen bestehen lediglich für so genannte Anfängerpraxen in der Aufbauphase (vgl BSG vom 10.3.2004 - B 6 KA 13/03 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 10).

4. Eine Kassenärztlichen Vereinigung kann es im Rahmen des ihr zukommenden Gestaltungsspielraums nicht verwehrt werden, bei der erstmaligen Einführung von IPZV zunächst Startquartale zu bilden, auf deren Grundlage sich die Weiterentwicklung der IPZV vollzieht. In diesem Fall kann nicht verlangt werden, dass ein Wachstum bereits in den vier Startquartalen ermöglicht wird.

5. Die Privilegierung neugegründeter Praxen durch einen Entwicklungszeitraum darf nicht dadurch relativiert werden, dass die Praxis auf das typischerweise geringere Honorarvolumen aus der Aufbauphase zurückgeworfen wird. Vielmehr muss das Individualbudget an den mit dem Abschluss dieser Phase erreichten Stand oder an den Durchschnittsumsatz der Fachgruppe anknüpfen (ständige Rechtsprechung, Anschluss an zB BSG vom 10.12.2003 - B 6 KA 54/02 R, aaO).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. Januar 2007 geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.

Der Kläger trägt 1/3 und die Beklagte trägt 2/3 der Kosten des gesamten Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Begrenzung des Honorars durch individuelle Punktzahlvolumina (IPZV) für die Quartale III/03 und I/04. Außerdem wendet er sich gegen die Ablehnung eines Härtefallantrages für die Quartale III/03 bis II/04.

Der Kläger ist seit der Übernahme der Praxis der Dr. H zum 1. Oktober 1997 als Facharzt für Allgemeinmedizin in K. niedergelassen und nimmt an der hausärztlichen Versorgung teil. Die Praxis der Dr. H. hatte vor der Übernahme durch den Kläger im Vergleich zur Gruppe der Allgemeinärzte unterdurchschnittliche Honorare abgerechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 112 der Gerichtsakte verwiesen.

Im Zusammenhang mit der Aufhebung der Regelungen zum Praxisbudget im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) mit Ablauf des Quartals II/03 führte die Beklagte mit Wirkung zum 1. Juli 2003 Regelungen zur Bildung von IPZV für die meisten Arztgruppen einschließlich aller an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Arztgruppen (vgl. § 12.3.3.b) HVM) und für den ganz überwiegenden Teil der Leistungen (Ausnahmen gelten für Leistungen des organisierten Notdienstes, die hausärztliche Grundvergütung, u.a.) ein. Die durch die Abgeordnetenversammlung der Beklagten am 11. Juni 2003 beschlossene Neufassung des § 12 HVM sieht die Bildung sog. Startquartale von III/03 bis II/04 vor. Für die Bildung des IPZV in diesen Startquartalen wird auf das praxisindividuelle Honorar aus dem Jahr 2002 zurückgegriffen. Bei Praxen, die in den Jahren 2001 und 2002 keinen Statuswechsel vollzogen haben, werden auch die Quartale des Jahres 2001 berücksichtigt. Für Leistungen innerhalb der IPZV wird ein Punktwert von 4,5 Cent angestrebt. Dazu wird für jede Praxis und für jedes Quartal die Punktzahl so begrenzt, dass unter Zugrundelegung des im Bemessungszeitraum (2001, 2002) erzielten Honorars eine Vergütung mit 4,5 Cent hätte erfolgen können (§ 12.4.2.b) Satz 1 HVM). Dabei wird von dem Honorar des entsprechenden Bestquartals aus den Jahren 2001 und 2002 ausgegangen. Überschreitet die Summe der vier gewählten Quartale die entsprechende Summe des Bestjahres, so werden die Bestquartale entsprechend quotiert (§ 12.4.2.b) Sätze 2 und 3 HVM). Die das IPZV überschreitenden Mehrleistungen werden mit 0,05 bis maximal 1 Cent vergütet. Zur Sicherung des Zielpunktwertes und zur Finanzierung der Vergütung für Mehrleistungen wird die Punktzahl in den Startquartalen um 3 % reduziert (§ 12.4.2.c) HVM). Die IPZV werden getrennt nach Kassenarten gebildet, wobei jedoch ein Ausgleich stattfindet (vgl. § 12.4.1.a) HVM). Für die Weiterentwicklung der IPZV nach A...

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