Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht. GmbH-Geschäftsführer. Treuhänder. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Abgrenzung. Formerfordernis bei Treuhandvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein GmbH-Geschäftsführer, der alle Gesellschaftsanteile hält, ist regelmäßig selbstständig tätig.

Hält er die Gesellschaftsanteile lediglich als Treuhänder, ist er regelmäßig abhängig beschäftigt.

2. Der Treuhandvertrag bedarf der Form des § 15 Abs 4 GmbHG in entsprechender Anwendung. Das Formerfordernis besteht nicht, wenn die Treuhandabrede vor dem GmbH-Vertrag getroffen wurde.

3. Zu einer bereits früher ergangenen Entscheidung über die Versicherungspflicht einer Tätigkeit.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 4. September 2007 hinsichtlich des Verfahrens S 1 KR 162/05 gegen die Beklagte zu 1) sowie der Bescheid der Beklagten zu 1) vom 28. Januar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2005 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Klägerin bei der Firma A. GmbH in der Zeit vom 15. August 1994 bis 30. August 2003 versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die Beklagte hat der Klägerin die ihr zur Rechtsverfolgung entstandenen Kosten

zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt war.

Die 1951 geborene Klägerin arbeitete 1969 als Stenokontoristin, von 1970 bis 1972 als Sekretärin eines Geschäftsführers und war anschließend kurzfristig in der Sachbearbeitung im Controlling beschäftigt. Von 1973 bis 1992 war sie Sekretärin und Sachbearbeiterin bzw. Trainerin bei I. Deutschland. Von Anfang 1993 bis Mitte 1994 nahm sie an einer Umschulungsmaßnahme teil.

Am 5. Juli 1994 errichtete sie die Firma A. Agentur für Business und Organisationsservice GmbH in H.. Sie war alleinige Gesellschafterin der Firma mit einem Stammkapital von 50.000,00 DM. Sie bestellte sich am 15. August 1994 selbst zur alleinigen Geschäftsführerin der Firma mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.000,00 DM bei 40 Wochenstunden und einer Gehaltsfortzahlung von sechs Wochen. Ihr Urlaubsanspruch betrug 28 Tage und es galt die gesetzliche Kündigungsfrist. Über die Geschäftsanteile hatte sie am 20. Mai 1994 mit dem 1941 geborenen S. B. einen schriftlichen Treuhandvertrag mit u. a. folgendem Inhalt abgeschlossen:

Die geplante GmbH (voraussichtlich A. GmbH Agentur für Business und Organisationsservice) wird von Frau R. Ba. Sa. als alleiniger Gesellschafterin gegründet. Sobald die rechtsgültige Namensgebung der GmbH mit der notariellen Beurkundung durch einen Gesellschaftsvertrag und/ oder Änderung erfolgt ist, wird der Treuhandvertrag ergänzt. Zu diesem Zweck wird ihr von Herrn S. B. dessen Geschäftsanteil in Höhe von 100 % abgetreten.

Frau Sa. wird bei der Gründung der Gesellschaft und dem Erwerb des v.b. Gesellschaftsanteils als Treuhänder von Herrn B. handeln.

Hinsichtlich des Treuhandverhältnisses wird folgendes vereinbart:

1. Der Treuhänder verpflichtet sich mit dem Geschäftsanteil nur nach Weisung des Treugebers zu verfahren, insbesondere das Stimmrecht nur nach seinen Weisungen auszuüben. Soweit auf den Geschäftsanteil Gewinne gezahlt werden, so ist der Treuhänder zur sofortigen Herausgabe der empfangenen Beträge an den Treugeber verpflichtet.

2. Der Treugeber verpflichtet sich, den Treuhänder von allen Ansprüchen freizustellen, die gegen ihn in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der GmbH geltend gemacht werden, soweit die Ansprüche nicht auf Handlungen beruhen, die der Treuhänder in Verletzung seiner ihm nach dem Gesetz, dem zukünftigen Gesellschaftsvertrag der GmbH oder in diesem Vertrag obliegenden Pflichten vornehmen wird.

3. Das Treuhandverhältnis kann von dem Treuhänder jederzeit fristlos gekündigt werden. Im Falle der Beendigung des Treuhandverhältnisses ist der Treuhänder verpflichtet, den Geschäftsanteil auf den Treugeber/oder einen oder mehrere von ihm benannte Dritte zu übertragen. Das Treuhandverhältnis endet ferner mit dem Tode des Treuhänders. Der Treuhänder kann die Treuhandschaft nicht übertragen.

4. Der Treugeber ist berechtigt, von dem Treuhänder jederzeit die Übertragung des Geschäftsanteils auf sich/oder einen oder mehrere von ihm benannte Dritte zu verlangen.

5. Im Falle der Abtretung des Geschäftsanteils ist ein Entgelt mit Rücksicht darauf, dass der Geschäftsanteil mit Mitteln des Treugebers erworben worden ist, nicht zu zahlen. Während des Treuhandverhältnisses erhält der Treuhänder Ersatz aller Auslagen.

6. Der Treuhänder verpflichtet sich, dafür Sorge zu tragen, dass das Treuhandverhältnis Dritten tunlichst nicht bekannt wird. Der Treuhänder bevollmächtigt den Treugeber unwiderruflich über den Geschäftsanteil zu verfügen und alle Rechte aus diesem - insbesondere das Stimmrecht - auszuüben. Der Treugeber ist auch bevollmächtigt, den Geschäftsanteil auf sich und/oder Dritte zu übertragen; er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

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