Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Abrechnungsgenehmigung zur Durchführung zytologischer Untersuchungen. Anwendbarkeit der Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie. Leistungserbringung am Praxissitz. Anspruch auf rechtliches Gehör

 

Orientierungssatz

1. § 5 der Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie setzt ungeschrieben voraus, dass das Labor in Räumen betrieben wird, in denen der Arzt zulässigerweise seine Arbeit verrichten darf; es muss sich um zulässige Praxisräume handeln.

2. Unter der veränderten Maßgabe der landesrechtlichen Berufsregelungen in der Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein in der durch die Satzung vom 8.5.2012 geänderten Fassung lässt sich ein Ausschluss gleichgearteter Leistungserbringung am Praxissitz und in der ausgelagerten Praxisstätte iS des Urteils des BSG vom 12.9.2001 - B 6 KA 64/00 R = SozR 3-2500 § 135 Nr 20 nicht mehr aufrecht erhalten.

3. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs geht nicht mit einem daraus abzuleitenden Anspruch auf Vertagung einer mündlichen Verhandlung einher, wenn ein Verfahrensbeteiligter feststellt, dass er mit seiner eigenen Prozessvorbereitung und -führung nicht mehr weiterkommt und sich durch anwaltliche Hilfe einen weitergehenden Erfolg seiner Klage verspricht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen B 6 KA 23/14 R)

 

Tenor

In Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Kiel vom 18. Mai 2011 wird festgestellt, dass der Bescheid vom 26. März 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2008 rechtswidrig gewesen sind.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung zytologischer Untersuchungen nach den Nummern 01733, 01826 und 19311 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM). Im Berufungsverfahren begehrt der Kläger die Feststellung, dass die ablehnende Entscheidung der Beklagten rechtswidrig gewesen ist.

Der Kläger ist seit 1985 als Frauenarzt in L. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er führt seine gynäkologische Praxis unter der Adresse H. in L.. Ferner ist er Belegarzt im M-Krankenhaus in L.. Mit Bescheid vom 5. Dezember 1995 war ihm eine Abrechnungsgenehmigung zur Durchführung zytologischer Untersuchungen zur Diagnostik der Karzinome des weiblichen Genitals erteilt und nach Inkrafttreten des EBM 2000 plus zum 1. April 2005 abgeändert worden.

Im Hinblick auf die Neufassung des § 135 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zum 1. Dezember 2007 und die Neufassung der Qualitätssicherungsvereinbarung zur Zervix-Zytologie zum 1. Oktober 2007 (DÄBl 2007 Seite A-2446) beantragte der Kläger am 17. September 2007 eine Genehmigung zur Abrechnung zytologischer Untersuchungen im Rahmen der Übergangsregelungen der Qualitätssicherungsvereinbarung für seine Praxis H. und für seine Privatanschrift L. in Lübeck; diese bezeichnete er in dem Antrag als Hauptbetriebsstätte. Mit Bescheid vom 26. März 2008 genehmigte die Beklagte dem Kläger die Abrechnung der Zervix-Zytologie für Untersuchungen in der Praxis H. unter der Bedingung seiner persönlichen Anwesenheit in der Praxis und lehnte mit weiterem Schreiben vom selben Tag die Genehmigung für das Privathaus des Klägers in der L. ab. Zur Begründung führte sie aus, die Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung seien in § 6 der Qualitätsvereinbarung Zervix-Zytologie präzisiert worden; diese Voraussetzungen seien in der L. nicht erfüllt. Dem widersprach der Kläger am 3. April 2008. Er machte geltend, er habe eine Genehmigung nach den Bestimmungen der alten Qualitätssicherungsvereinbarung gehabt und mache einen Anspruch nach der Übergangsregelung des § 14 der Qualitätssicherungsvereinbarung Zervix-Zytologie geltend. Die räumlichen und apparativen Voraussetzungen hierfür seien in der L. erfüllt. Es sei fraglich, ob die fachliche Überwachung der Arbeiten überhaupt Gegenstand der Genehmigung sein könne; jedenfalls dürfe die Genehmigung nach der Übergangsvereinbarung keine schärferen Anforderungen aufstellen als die ihm erteilte alte Genehmigung. Es sei unzulässig, diese früher erteilte Genehmigung einzuschränken. Im Übrigen sei die fachliche Überwachung in der L. gewährleistet. Die Laborzeiten dauerten werktäglich von 7.00 Uhr bis 16.00 Uhr, also 45 Stunden wöchentlich. Seine Praxis sei 2 Kilometer entfernt und montags und donnerstags am Vormittag und montags, dienstags und donnerstags nach 16.00 Uhr sowie mittwochs und freitags in Notfällen geöffnet. Dienstags vormittags arbeite er durchschnittlich 2 Stunden im ebenfalls etwa 2 Kilometer entfernten M-Krankenhaus. Somit sei er lediglich 9 Stunden entsprechend 20 % der Betriebszeiten im Labor nicht anwesend. § 6 Abs. 1 der Qualitätssicherungsrichtlinien verlange lediglich eine grundsätzliche Anwesenheit des zytologisch verantwortlichen Arztes und lasse dessen kurzfristige Abwesenheit zu...

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