Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Vergütungsvereinbarung. Werkstatt für behinderte Menschen. Berücksichtigung von Unfallversicherungsbeiträgen für die Beschäftigten. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 8 SO 1/18 R

 

Leitsatz (amtlich)

Unfallversicherungsbeiträge für Beschäftigte in einer Werkstatt für behinderte Menschen sind als unternehmensübliche Kosten nicht nach § 41 Abs 3 S 3 SGB IX vom Sozialhilfeträger zu erstatten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.05.2019; Aktenzeichen B 8 SO 1/18 R)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruchs betreffend die Festsetzung der Vergütung für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015. Streitig ist zwischen den Beteiligten die Frage der Einbeziehung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung der Beschäftigten in der Einrichtung M... Werkstätten in den zu gewährenden Tagessatz.

Die Klägerin ist Trägerin der Einrichtung Werkstatt für behinderte Menschen (M... Werkstätten), die im Zuständigkeitsbereich des Beklagten liegt. Die Beteiligten schlossen für die Einrichtung am 6. Februar 2012 eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Diese wurde durch die Anpassungsvereinbarungen vom 30. Juni 2014, 8. Januar 2015 und 30. Juni 2015 geändert.

Am 8. Januar 2015 übersandte die Klägerin dem Beklagten ein Angebot auf Abschluss einer Vergütungsvereinbarung für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2015, mit dem sie einen zu vergütenden Tagessatz in Höhe von 62,74 EUR geltend machte. Darin enthalten waren 0,16 EUR für die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung der beschäftigten und betreuten Menschen mit Behinderung. Die Klägerin begehrte hierfür einen Betrag in Höhe von insgesamt 28.191,80 EUR.

Der Beklagte trat diesem Angebot entgegen und übersandte am 19. Februar 2015 ein Gegenangebot, das die Unfallversicherungsbeiträge unberücksichtigt ließ. Er war der Auffassung, dass die Beiträge zur Berufsgenossenschaft für die in der Werkstatt tätigen Menschen mit Behinderung aus der Produktion zu finanzieren seien. Diese Rechtsauffassung werde gestützt durch die Ausführungen unter 8.5.3 Abs. 4 in Verbindung mit 10.4.7a der Werkstattempfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe. Beitragspflichtiger Unternehmer in der gesetzlichen Unfallversicherung bei Menschen mit Behinderung im Arbeitsbereich von Werkstätten sei nach § 150 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 4 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII), der Werkstattträger. Anders als bei den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung gebe es keine gesetzliche Verpflichtung der Rehabilitationsträger zur Erstattung der Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung. Die bewusste Nichtaufnahme einer entsprechenden Erstattungsregelung für die Unfallversicherung schließe die Refinanzierung auf anderem Wege, und zwar die Verpreislichung dieser Aufwendungen in der Vergütung, aus.

Am 17. April 2015 beantragte die Klägerin die Durchführung des Schiedsstellenverfahrens bei der Schiedsstelle für Pflegesatzangelegenheiten gemäß § 80 SGB XII. Gegenstand des Antrags war die Festsetzung eines Tagessatzes in Höhe von 61,88 EUR. Sie vertrat dabei die Auffassung, dass es sich bei den Beiträgen zur Unfallversicherung für die Menschen mit Behinderung, die in der Werkstatt beschäftigt sind, um Kosten handele, die für die Erfüllung der Aufgaben der Werkstatt erforderlich seien, woraus sich ein Vergütungsanspruch gemäß § 41 Abs. 3 Ziff. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), ergebe. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass es Aufgabe der Werkstatt für behinderte Menschen sei, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu erbringen. Hierin bestehe ihr einziger Zweck. Die Teilhabe am Arbeitsleben in der Werkstatt müsse daher grundsätzlich gesichert sein, auch wenn diese keine produktiven Ergebnisse erbringe. Aufgrund der Unfallversicherungspflicht der in der Werkstatt beschäftigten Menschen mit Behinderung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII seien die damit verbundenen Beiträge unabwendbar. Soweit diese Kosten somit der Ziff. 1 des § 41 Abs. 3 SGB IX zuzuordnen seien, könnten diese - auch nicht teilweise, soweit sie in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstünden - aus der Vergütung herausgenommen werden. Sie seien über den Vergütungssatz zu refinanzieren. Müssten die Unfallversicherungsbeiträge aus dem Produktionserlös erwirtschaftet werden, widerspreche dies dem Zweck der Werkstatt als Rehabilitationseinrichtung; denn die Teilhabe am Arbeitsleben in der Werkstatt müsse grundsätzlich auch dann gesichert sein, wenn diese keine produktiven Ergebnisse erbringe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die Werkstatt gemäß § 137 SGB IX grundsätzlich alle behinderten Menschen aus ihrem Einzugsgeb...

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