Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungsschutz. arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Versorgung. Turnierpferd

 

Orientierungssatz

Zum Unfallversicherungsschutz einer elfjährigen Reiterin, die beim Betreten der Box eines ihr zur unentgeltlichen Nutzung überlassenen Turnierpferdes gegen Betreuung desselben verunglückte.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.05.1999; Aktenzeichen B 2 U 89/98 B)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, einen Arbeitsunfall festzustellen.

Die Klägerin ist Halterin des Ponys "Nico", eines guten Spring- und Dressurpferdes. Das Tier wurde ursprünglich von der Tochter T der Klägerin geritten. Als T Ende 1983 16 Jahre alt wurde, durfte sie wegen Überschreitens der Altersgrenze nicht mehr selbst mit dem Pony an Turnieren teilnehmen. An ihrer Stelle übernahm das die beigeladene S G, geb. am 1974, die bereits seit ihrem 6. Lebensjahr mit Pferden vertraut war. T erteilte ihr außerdem Springunterricht. Die Beigeladene durfte Nico auch sonst jederzeit unentgeltlich reiten und hatte jeweils nach dem Ritt das Tier zu putzen, zu säubern und die Hufe auszukratzen; die Fütterung oblag jedoch nicht ihr, sondern dem Reiterhof, auf dem das Tier untergestellt war. Die Beigeladene hatte auch ein eigenes Pony, das jedoch nicht so qualifiziert war wie Nico.

Am 26. März 1985 brachte die Beigeladene nach einem Ritt mit Nico das Sattelzeug in die Sattelkammer und betrat anschließend seine Box, in der dieser von der Schwester der Beigeladenen mit Äpfeln gefüttert wurde. Hierbei stand Nico mit dem Hinterteil zur Boxentür. Er schlug aus und traf die eintretende in den Bauch, wobei die Milz erheblich verletzt wurde. Wegen innerer Blutungen erfolgte eine Notoperation, bei welcher die Herztätigkeit der Beigeladenen für etwa 20 bis 30 Minuten aussetzte, so daß das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt wurde. Seitdem leidet die Beigeladene unter einem apallischen Syndrom, ist an den Rollstuhl gefesselt, in allen Dingen auf fremde Hilfe angewiesen und nicht vernehmungsfähig.

In einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Itzehoe erstritt die Beigeladene das Urteil vom 25. März 1991 (Az.: 2 O 627/88), in welchem die Klägerin zu Schadensersatz aus Tierhalterhaftung verurteilt wurde. Ein Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht in Schleswig (Az.: 7 U 96/91) schloß sich an. Im zivilgerichtlichen Verfahren wurde eine Reihe von Zeugen zu den Einzelheiten des Vorfalls sowie zum Verhältnis der beteiligten Personen zueinander im Hinblick auf das Pony Nico vernommen und schließlich die Verhandlung bis zur Entscheidung der Beklagten ausgesetzt.

Bereits am 24. Mai 1993 hatte die Klägerin bei der Beklagten den von der Beigeladenen am 26. März 1985 erlittenen Unfall angemeldet. Die Beklagte erteilte daraufhin der Beigeladenen den Bescheid vom 20. Dezember 1993 -- am folgenden Tage zur Post gegeben --, daß Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bestünden: Die Tätigkeit der Beigeladenen sei nicht arbeitnehmerähnlich im Sinne des § 539 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) gewesen und habe deshalb nicht unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz gestanden. Ein gleichlautender Bescheid erging am selben Tag an die Klägerin.

Hiergegen legte die Klägerin am 21. Januar 1994 Widerspruch ein und meinte, ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis zur Beigeladenen habe bestanden. Man dürfe nicht unterstellen, daß es der Beigeladenen um das kostenlose Reiten von Nico gegangen sei, habe diese doch selbst ein Pony besessen, das nur nicht so gut als Springpferd geeignet gewesen sei.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 1994 zurück, und zwar mit der Begründung, die Handlungstendenz der Beigeladenen sei nicht fremdwirtschaftlich auf die Reittierhaltung der Klägerin gerichtet gewesen, vielmehr habe sie im wesentlichen eigene Angelegenheiten verfolgt. Selbst wenn die Pflege des Ponys durch die Beigeladene auch im Interesse der Klägerin gewesen sei, habe sich die Beigeladene hauptsächlich deshalb um das Pony gekümmert, weil sie es selber ritt und auf Turnieren vorstellte. Die Übernahme von Pflege und Betreuung des Ponys sei untrennbar mit dieser Nutzungsüberlassung einhergegangen. Die Beigeladene sei mithin nicht wie eine Arbeitnehmerin der Klägerin tätig gewesen.

Die Klägerin hat am 7. Dezember 1994 Klage erhoben und geltend gemacht, die Beigeladene habe sich nicht nur aus eigenem sportlichen Interesse mit dem Pony Nico beschäftigt. Vielmehr sei dies für die Klägerin ernsthaft nützlich gewesen, weil damit notwendige Tätigkeiten zugunsten der Pferdehalterin erledigt worden seien. Nach Literatur und Rechtsprechung reichten dafür schon geringfügige und kurzfristige Hilfstätigkeiten aus. Jedem Reiter -- auch Kindern -- sei bekannt, daß Pferde einer ausgiebigen Pflege und Zuwendung bedürften, beispielsweise täglich etwa eine halbe Stunde geritten werden müßten. Diese Aufgabe werde normalerweise von sogenannten "Bereitern" erledigt. Zur Pflege des Pferdes gehörten auße...

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