Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Übergangsleistung. Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit. Tierarzthelferin. Arzthelferin. neue Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Übergangsleistungen nach § 3 Abs 2 BKVO setzen nur voraus, daß die gesundheitsgefährdende Tätigkeit aufgegeben worden ist; auf eine dauerhafte berufliche Rehabilitation kommt es nicht an.

2. Wird bei der Prüfung, ob die neue Tätigkeit gesundheitsgefährdend ist, eine Prognose getroffen, ist hierbei der inzwischen zurückgelegte erscheinungsfreie Zeitablauf zu beachten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsrechtszuge nur noch um die nachträgliche Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 der Berufskrankheitenverordnung (BKVO).

Die am geborene Klägerin ließ sich vom 1. August 1984 bis zum 19. Juli 1986 erfolgreich zur Tierarzthelferin ausbilden. Während dieser Zeit verschlechterte sich nach Kontakt mit Tieren eine bereits seit Kindheit bekannte Neurodermitis, auch trat nach Kontakt beispielsweise mit Meerschweinchen Nasenlaufen ein. Vom 2. bis zum 12. Dezember 1985 war deswegen eine stationäre Behandlung in der Universitätshautklinik erforderlich.

Am 1. August 1986 begann die Klägerin eine Ausbildung zur Arzthelferin, die sie am 31. Juli 1989 erfolgreich abschloß. Sie ist seitdem im neuen Beruf tätig, und zwar seit dem Ende ihrer Ausbildung als Röntgenassistentin. Krankhafte Hauterscheinungen oder Atemwegsbeschwerden sind seit August 1986 nicht aufgetreten.

Nach Beginn der Zweitausbildung hatte die Klägerin am 14. August 1986 beim Arbeitsamt berufliche Rehabilitationsleistungen beantragt: Sie könne ihre bisherige Arbeit (als Tierarzthelferin) nicht mehr verrichten, da sie gegen Tierhaare allergisch sei.

Das Arbeitsamt lehnte eine Vorleistung nach § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (Reha-AnglG) "aus medizinischer Sicht (Eignung)" ab und leitete den Antrag an die Beklagte weiter. Diese erklärte sich nach eigenen Ermittlungen mit Schreiben an die Klägerin vom 18. Januar 1988 bereit, Leistungen zur Berufshilfe zu gewähren, lehnte jedoch eine Förderung der Ausbildung zu einem erneut hautgefährdenden Beruf (als Beispiel wurde u.a. derjenige einer Arzthelferin erwähnt) ab.

Auf Grund der hautärztlichen Gutachten vom 24. April und 25. Juli 1989 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. Juli 1990 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) ab, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen beruflicher Betätigung und Hauterkrankung nicht hinreichend wahrscheinlich sei. Unter dem selben Datum forderte die Beklagte die Klägerin auf, die gefährdende Tätigkeit (als Arzthelferin) aufzugeben und sich beruflich neu zu orientieren. Ein dadurch entstehender Minderverdienst könne übernommen werden.

Die Klägerin legte sowohl gegen den Bescheid als auch gegen die Aufforderung Widerspruch ein und machte u.a. geltend, daß sie seit nunmehr drei Jahren im Beruf einer Arzthelferin tätig sei, ohne daß allergische Reaktionen vorgekommen seien. Hierauf holte die Beklagte das Gutachten des Dipl.-Chemikers vom 13. Mai 1992 sowie eine Stellungnahme des beratenden Arztes Professor Dr. ein und erteilte den Widerspruchsbescheid vom 29. November 1993: Die Hauterkrankung sei durch die Tätigkeit als Tierarzthelferin vorübergehend verschlimmert worden. Die Klägerin habe nach Aufgabe dieses Berufes eine Ausbildung zur Arzthelferin begonnen, zu deren Berufsbild ebenfalls hautgefährdende Tätigkeiten im sogenannten "nassen Milieu" (z.B. Laborarbeiten, Pflege und Reinigung der medizinischen Instrumente, beim Radiologen auch das Anfertigen von Röntgenaufnahmen) gehörten. Auch im neuen Beruf müsse mit dem Wiederauftreten von Allergien gerechnet werden.

Die Klägerin hat hiergegen am 3. Januar 1994 Klage erhoben (S 1 U 3/94).

Inzwischen hatte die Beklagte auch Ermittlungen hinsichtlich einer beruflich bedingten Atemwegserkrankung nach Nr. 4301 der Anlage zur BKVO aufgenommen und dazu die pneumologisch-allergologischen Gutachten vom 5. Februar 1991 und 19. August 1993 eingeholt. Nach deren Auswertung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. November 1994 die Anerkennung einer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 oder 4302 der Anlage 1 zur BKVO ab, weil die Klägerin im neuen Beruf als Arzthelferin nach wie vor eine atemwegsgefährdende Tätigkeit ausübe. Den hiergegen von der Klägerin am 5. Dezember 1994 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 1995 zurück.

Diese Entscheidung hat die Klägerin am 6. März 1995 mit der Klage angegriffen (S 1 U 28/95).

Das Sozialgericht Kiel hat beide Klageverfahren zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung miteinander verbunden. Im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens hat die Klägerin das Ziel der Anerkennung beruflich bedingter Haut- und Atemwegserkrankungen aufgegeben, nachdem das Sozialgericht u.a. das dermatologisch-allergologisches Gutachten von Prof. Dr. mit Erläuterungen von Pr...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge