Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Kreises Dithmarschen. Vergleichsraumbildung. Wohnungsmarkttyp. Datenerhebung und -auswertung. Transparenz. Validität. überproportionale Berücksichtigung der Bestandsmieten von Leistungsberechtigten nach dem SGB 2. Einbeziehung von älteren Mietverträgen. Nachfrageanalyse unter Berücksichtigung der Eigentumsquote
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten muss in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren erfolgen und auf einer validen Datengrundlage beruhen.
2. Die überproportionale Berücksichtigung der Bestandsmieten von SGB II-Empfängern, ohne dass dieser Aspekt im Methodenbericht Berücksichtigung findet, verstößt gegen das Transparenzgebot.
3. Mietverträge, die älter als vier Jahre sind bzw die länger als vier Jahre keine Änderung erfahren haben, lassen keine sicheren Schlüsse über das aktuelle Mietniveau zu.
4. Für die Erstellung eines Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist eine nachvollziehbare Nachfrageanalyse für die einzelnen Haushaltsgrößen unter besonderer Berücksichtigung der Eigentumsquote notwendig.
Orientierungssatz
1. Das gesamte Gebiet des Kreises Dithmarschen bildet einen einheitlichen Vergleichsraum.
2. Soweit das Kreisgebiet nach dem Konzept des Grundsicherungsträgers im Wege der sog Clusteranalyse in vier Wohnungsmarkttypen untergliedert wird, führt dies nicht dazu, dass mehrere Vergleichsräume iS der höchstrichterlichen Rechtsprechung entstehen würden.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2015 insoweit aufgehoben, als der Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern monatliche Unterkunftskosten nach dem SGB II auch unter Berücksichtigung der Tochter zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern 2/3 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe den Klägern bewilligter Unterkunftskosten.
Am 25. März 2011 beantragte der 1969 geborene Kläger zu 1) für sich und die 1971 geborene Klägerin zu 2) sowie die am ... . ... 2009 geborene Tochter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Sie bewohnten seinerzeit seit dem 1. Juni 2010 ein Haus mit vier Zimmern im ... in ... Ba. bei H. (Grundmiete 550,00 EUR zuzüglich kalte Betriebskosten von 70,00 EUR). Mit Bescheid vom 31. März 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern und deren Tochter Arbeitslosengeld (Alg) II in dem Zeitraum vom 1. März 2011 bis 31. August 2011. Hierbei berücksichtigte der Beklagte die vollen Unterkunftskosten bis Juli 2011 und im August 2011 im Umfang der im Kreis Dithmarschen maßgeblichen Mietobergrenze. Mit Schreiben vom 31. März 2011 wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Aufwendungen den Höchstbetrag der Unterkunftskosten um monatlich 241,00 EUR überschritten und dass im Kreis Unterkunftskosten bis zu einem Höchstbetrag von monatlich 379,00 EUR zuzüglich Heizkosten gezahlt würden. Während einer Übergangsfrist von drei Monaten würden zunächst die tatsächlichen Aufwendungen gezahlt werden. Gegen die Höhe der Unterkunftskosten für August 2011 legten die Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2011 zurückgewiesen wurde. Hiergegen erhoben die Kläger und deren Tochter Klage (S 24 AS 636/11) mit dem Ziel, die tatsächlichen Unterkunftskosten von 620,00 EUR zu erhalten. Mit rechtskräftigem Urteil vom 15. April 2013 verurteilte das Sozialgericht den Beklagten, Unterkunftskosten von 466,40 EUR zu berücksichtigen (zuzüglich Heizkosten), im Übrigen wies es die Klage ab.
Auf den Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Beklage mit Bescheid vom 3. August 2011 Leistungen für die Zeit vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 unter Berücksichtigung der für einen 3-Personen-Haushalt im Kreis geltenden Obergrenze von 379,00 EUR kalt. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein wegen der Unterkunftskosten, weil dem Beklagten kein schlüssiges Konzept nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorliege. Mit Änderungsbescheid vom 26. September 2011 bewilligte der Beklagte für den Bewilligungszeitraum Leistungen unter Berücksichtigung kalter Unterkunftskosten von 424,00 EUR. Den Widerspruch wies der Beklagte nach Erteilung des Änderungsbescheides als unbegründet zurück. Zur Begründung wies der Beklagte darauf hin, dass mit dem Änderungsbescheid die Bedarfe für die Unterkunft in Höhe der maßgeblichen Obergrenze nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) von 424,00 EUR bruttokalt monatlich berücksichtigt worden seien. Ausreichend angemessener Wohnraum stehe zur Verfügung, die tatsächlichen Aufwendungen könnten nicht berücksichtigt werden.
Gegen den Widerspruchsbescheid haben der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) Klage am 1. November 2011 vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben.
Zum 1. Januar 2012 si...