Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. nichtselbstständige Tätigkeit. Einkünfte im Bezugszeitraum. Zuflussprinzip. normative Umrechnung von Gehaltsmonaten auf Lebensmonate des Kindes. Berücksichtigung des für den Lebensmonat des Kindes regelmäßig gezahlten Gehalts. Geldeingang im Lebensmonat nicht erforderlich. verfassungskonforme Auslegung. Gleichheitssatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Da Lebensmonate des Kindes und Gehaltsmonate regelmäßig nicht deckungsgleich sind, ist für den Bezugszeitraum des Elterngeldes bei Einkommenszufluss eine normative Umrechnung erforderlich.

2. Im Bezugszeitraum zugeflossen sind bei abhängig Beschäftigten alle regelmäßigen Gehaltszahlungen in diesem Zeitraum unabhängig vom jeweiligen konkreten Überweisungstag auf dem Konto des Elterngeldberechtigten.

3. Nur eine solche Auslegung von § 2 Abs 3 Satz 1 BEEG ist auch verfassungskonform, da bei abhängig Beschäftigten die Zufälligkeiten des Geburtstages des Kindes und des konkreten Tages der Gehaltsüberweisung bei regelmäßig gezahltem Gehalt kein sachgerechtes Unterscheidungsmerkmal für die vollständige Einbeziehung oder den Ausschluss dieses Einkommens jedenfalls im Bezugszeitraum für das Elterngeld darstellen.

4. Abgrenzung zu BSG vom 27.6.2019 - B 10 EG 1/18 R = SozR 4-7837 § 2 Nr 33.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des

Sozialgerichts Schleswig vom 9. November 2016 aufgehoben

und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten der Klägerin sind für den gesamten

Rechtsstreit nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Elterngeld im Zusammenhang mit einer Teilzeittätigkeit im Bezugszeitraum.

Die Klägerin ist Mutter des am ... 2013 geborenen Kindes I..., mit dem sie im hier maßgeblichen Bezugszeitraum für das Elterngeld (6.-9. Lebensmonat des Kindes) in einem Haushalt zusammenlebte.

Die Klägerin ist angestellte Ärztin. Sie arbeitete bis zum Beginn der Mutterschutzfrist am 5. April 2013 in Vollzeit (40 Stunden wöchentlich) und erzielte unter Berücksichtigung ihres Arbeitgeberwechsels im April 2012 im Zeitraum vom 1. April 2012 bis 31. März 2013 Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Höhe von knapp 70.000 EUR. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Verdienstbescheinigungen gemäß Blatt 11-24 Verwaltungsakte verwiesen. Ab Beginn der Mutterschutzfrist erhielt sie einen arbeitgeberseitigen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Am 20. Juni 2013 (Eingang bei dem Beklagten) beantragte sie Elterngeld, wobei der Antrag auch von dem anderen Elternteil unterschrieben ist. Als Bezugszeitraum gab sie zunächst den 1.-12. Lebensmonat des Kindes an. Die Angaben zum absehbaren Einkommen nach der Geburt des Kindes im beantragten Bezugszeitraum verneinte sie.

Der Beklagte gewährte daraufhin mit Bescheid vom 4. Juli 2013 Elterngeld für den 1.-12. Lebensmonat des Kindes unter Anrechnung des Mutterschaftsgeldes. Für den 3. Lebensmonat (7. Juli 2013 bis 6. August 2013) betrug das Elterngeld anteilig 1.451,50 EUR. Für den 4.-12. Monat bewilligte der Beklagte jeweils den Höchstbetrag von 1.800,00 EUR. Der Auszahlungsbetrag war deshalb auf den Höchstbetrag des monatlichen Elterngeldes gedeckelt, weil das tatsächliche Einkommen der Klägerin im Bemessungszeitraum von brutto 5.882,86 EUR bzw. netto 3.455,23 EUR zu einem höheren Elterngeldbetrag geführt hätte. Der Bescheid enthält den ausdrücklichen Hinweis, dass er auf der Angabe beruht, wonach die Klägerin kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen werde und daher unter dem Vorbehalt des Widerrufs gezahlt werden. Eine Änderung der Verhältnisse (insbesondere die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) sei unverzüglich mitzuteilen.

Am 16. September 2013 teilte die Klägerin dem Beklagten in einem Telefongespräch mit, dass sie zum 1. November 2013 eine Teilzeittätigkeit aufnehmen werde. Am 24. Oktober 2013 fand eine persönliche Rücksprache der Klägerin bei dem zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten statt. Ursprünglich wollte die Klägerin ab dem 1. Februar 2014 zudem wieder in Vollzeit arbeiten. Auf der Grundlage der Beratung zum Elterngeld wollte sie aber noch abklären, ob der Beginn der Vollzeittätigkeit auf den 7. Februar 2014 geändert werden könne, damit das Elterngeld im 9. Lebensmonat nicht entfalle. Erst nach dieser Klärung sollte der endgültige Arbeitsvertrag übermittelt werden. Gleichzeitig reichte sie eine Verdienstbescheinigung ein, wonach sie ab dem 1. November 2013 ein steuerpflichtiges Arbeitsentgelt in Höhe von 2.960,55 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 24 Stunden erzielt. Die Klägerin nahm dann ihre Teilzeittätigkeit am 1. November 2013 auf. Ab dem 7. Februar 2014 (Änderungsvertrag vom 27.11.2013) arbeitete sie wieder in Vollzeit.

Der Beklagte bewilligte daraufhin der Klägerin vorläufig (bis zum Nachweis des tatsächlich erzielten Einkommens) Elterngeld mit Bescheid vom 12. Dezember 2013 unter Berücksichtigung des im Bezugszeitraum erzielten Teilzeitverdienstes unter Abänderung des Bescheides vom 4. Juli 2013. Die Bewillig...

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