Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an die Bestimmtheit eines Aufhebungs- bzw Rücknahme- und Erstattungsbescheides. Adressierung an mehrere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ohne Individualisierung des Erstattungsbetrages

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Bestimmtheit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides gegenüber mehreren Personen.

 

Orientierungssatz

Ein Bescheid über die Aufhebung bzw Rücknahme und Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB 2, der zwar an mehrere Adressaten gerichtet ist, dem jedoch nicht entnommen werden kann, in welcher Höhe jeweils für die einzelnen Adressaten zu Unrecht erfolgte Leistungsbewilligungen aufgehoben und Leistungen zurückgefordert werden, genügt nicht dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs 1 SGB 10.

 

Tenor

Nach Rücknahme der Berufung in Bezug auf die Klägerin zu 1) wird die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 3. November 2009 zurückgewiesen, soweit sie den Kläger zu 2) betrifft.

Der Beklagte hat dem Kläger zu 2) auch seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Rücknahme- und Erstattungsbescheides.

Das Verfahren ist bis zur Berufungsverhandlung von Frau A... B... als Klägerin und Berufsbeklagter zu 1. und von Herrn M... B... als Kläger und Berufungsbeklagtem zu 2. geführt worden. In der Berufungsverhandlung hat der Beklagte die Berufung auf den Kläger zu 2. beschränkt. Zum besseren Verständnis werden im Folgenden Frau B... weiterhin als Klägerin zu 1. und Herr B... als Kläger zu 2. bezeichnet.

Mit Bescheiden vom 8. November 2004 und 3. März 2005 sowie 1. Juni 2005 hat die Arbeitsgemeinschaft F... als Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: der Beklagte) den damals verheirateten und zusammenlebenden Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. November 2005 gewährt. Die Kläger hatten dabei, befragt zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen, lediglich geringfügiges Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1) und geringfügige Vermögenswerte angegeben. Als Altersvorsorgevermögen wurde zudem eine Kapitallebensversicherung bei der Aa... mit einem Rückkaufwert von 9.000,00 EUR angegeben. Nachdem die Klägerin zu 1) telefonisch mitgeteilt hatte, dass sich der Kläger zu 2) ab 19. Oktober 2005 in Haft befunden habe und sie sich ab dem 1. November 2005 aus dem Leistungsbezug abgemeldet hatte, hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II mit Wirkung ab 1. November 2005 mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 auf.

Am 13. September 2006 teilte das Hauptzollamt I... dem Beklagten mit, dass im Zusammenhang mit dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II gegen die Kläger Betrugsverdacht bestehe. So sei die Klägerin zu 1) der Prostitution nachgegangen, habe hieraus Einkünfte erzielt und diese bei der Beantragung der Leistungen nicht mitgeteilt. Ferner seien bei den Klägern weitere im Antrag nicht mitgeteilte Vermögenswerte festgestellt worden. Dabei handelt es sich um einen Bausparvertrag bei der W... und eine Kapitallebensversicherung bei der Ab..., ein hochwertiges Kfz der Marke Mercedes Benz CLK 55 AMG, zwei echte Cartier-Armbanduhren und weitere Schmuckgegenstände.

Mit Bescheid vom 27. November 2006, gerichtet an beide Kläger, nahm der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 31. Oktober 2005 vollständig zurück. Zur Begründung führte er aus, mit den nachgewiesenen Einkommens-/Vermögensverhältnissen seien die Kläger nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 SGB II, so dass ein Anspruch auf die Leistungen nicht bestanden habe. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil in den Anträgen zumindest grob fahrlässig falsche und unvollständige Angaben gemacht worden seien. Der Beklagte forderte die Kläger zur Erstattung einer Gesamtforderung von 10.715,72 EUR auf. Dabei differenzierte er diese Gesamtforderung nach den Leistungsanteilen Regelleistung, Kosten für die Unterkunft und Heizung, Rentenversicherungsbeiträge sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Er differenzierte allerdings nicht zwischen den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft. Von welchem der beiden Kläger der Beklagte welchen Betrag zur Erstattung forderte und in welcher Höhe die Leistungsbewilligung für die einzelnen Kläger zurückgenommen wurde, lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen. Die zurückgenommenen Bewilligungsbescheide wurden im Verfügungssatz des Rücknahmebescheides nicht genannt.

Gegen diesen Bescheid richtete sich der nicht näher begründete Widerspruch der Kläger vom 15. Dezember 2006.

Mit Bescheid vom 26. September 2007 reduzierte der Beklagte die Rückforderung um die rechtsgrundlos zurückgeforderten Rentenversicherungsbeiträge. Die Rückforderungssumme ermäßigte sich dadurch auf 9.155,72 EU...

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