Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur Benennung einer Verweisungstätigkeit bei schwerer spezifischer Leistungsbehinderung bzw. Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen des Versicherten nach beantragter Erwerbsminderungsrente
Orientierungssatz
1. Ist der Versicherte noch in der Lage, sechs Stunden am Tag zu arbeiten, so besteht bei beantragter Erwerbsminderungsrente für den Rentenversicherungsträger eine Pflicht zur Benennung ausübbarer Verweisungstätigkeiten, wenn eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt.
2. Bei beantragter Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt einer Haushälterin kein besonderer Berufsschutz zu. Sie ist sozial zumutbar auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen. Der Beruf einer Haushälterin ist dem ungelernten Bereich, d. h. Anlernzeit bis zu einem Jahr, zuzuordnen. Eine konkrete Verweisungstätigkeit ist nicht zu benennen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Schleswig vom 29. Juni 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren
nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Klägerin ist am ... 1955 in P... geboren und erwarb dort einen Abschluss als Landwirtschaftstechnikerin. Anschließend war sie als Verkäuferin in der Zeit vom 15. November 1979 bis 31. Juli 1982 und als Buchhalterin in der Zeit vom 1. August 1982 bis 9. Februar 1990 tätig. Am 10. Februar 1990 kam sie nach Deutschland. Hier absolvierte sie zunächst Sprachkurse und befand sich danach bis März 1997 in Weiterbildung. In der Zeit vom 1. April 1997 bis 15. September 2009 ging sie mit Unterbrechungen in der Firma ihres geschiedenen Ehemanns einer geringfügigen Beschäftigung als Buchhalterin/Bürokraft nach. Zeitgleich war sie in der Zeit von Juli 2003 bis November 2004 als Schwesternhelferin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nach Zeiten der Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit nahm sie im November 2011 eine Tätigkeit als Haushalthilfe/Haushälterin auf einem Gut in einem Privathaushalt auf. Diese Beschäftigung übte sie zunächst geringfügig und seit dem 1. Juni 2012 als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aus. Seit dem 26. Januar 2016 war sie arbeitsunfähig erkrankt. Der Versicherungsverlauf weist für die Zeit vom 1. Juni 2012 bis 31. Januar 2016 durchgängig Zeiten mit Pflichtversicherung aufgrund Beschäftigung nach.
Ein im Januar 2010 gestellter Rentenantrag zur Feststellung der Erwerbsminderung blieb auch nach Inanspruchnahme des Gerichts erfolglos.
Am 18. Februar 2016 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Im von der Beklagten beauftragten sozialmedizinischen Gutachten durch den Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Anästhesie Dr. R... vom 17. Mai 2016 nach persönlicher Untersuchung der Klägerin am 3. Mai 2016 sah dieser unter der Benennung der Diagnosen psychomentale Minderbelastbarkeit bei chronifizierter Gemütsauslenkung (Dysthymie), chronischer Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, Verschleißerkrankungen der Kniegelenke (rechts führend) mit Belastungseinschränkungen, Bluthochdruck (medikamentös behandelt), chronischer Verschleiß der Wirbelsäule bei Schädigung der Zwischenwirbelscheibe mit belastungsabhängigen Schmerzen kein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen. Die Beklagte veranlasste wegen der vordergründig bestehenden Erkrankungen des Bewegungsapparates eine weitere Begutachtung auf orthopädischem Fachgebiet durch den Orthopäden Dr. K..., der die Klägerin am 9. Juni 2016 persönlich untersuchte. Dieser folgerte ein Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten über 6 Stunden täglich mit qualitativen Leistungseinschränkungen.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 20. Juni 2016 unter Bezugnahme auf die eingeholten Sachverständigengutachten ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Unter Berücksichtigung der von den Sachverständigen benannten Erkrankungen seien keine Einschränkungen festzustellen, die zur Minderung des quantitativen Leistungsvermögens führen würden. Die Klägerin könne 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Die Voraussetzungen für eine teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seien ebenfalls nicht erfüllt. Zwar könne sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen ihrer bisherigen Tätigkeit als Haushälterin im Privathaushalt nicht mehr nachgehen. Aufgrund ihres beruflichen Werdegangs sei sie jedoch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu verweisen.
Am 7. Juli 2016 stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides zum zuletzt gestellten Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Der Überprüfungsantrag wurde nach Rücksprache mit der Klägerin als Widerspruch aufgefasst und bearb...