Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der gerichtlichen Überprüfung des Regelleistungsvolumens und der Honorarabrechnung eines Vertragsarztes

 

Orientierungssatz

1. Das Vergütungssystem der Regelleistungsvolumina der Vertragsärzte ist in § 87b SGB 5 verbindlich festgelegt. Dessen Werte sind morbiditätsgewichtet und differenziert nach Arztgruppen und Versorgungsformen durch die Kassenärztliche Vereinigung festzulegen. Praxisbesonderheiten sind zu berücksichtigen.

2. Dem Erweiterten Bewertungsausschuss steht ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Gestaltungsspielraum zu; dieser ist erst dann verletzt, wenn die getroffene Regelung in einem groben Missverhältnis zu den mit ihr verfolgten legitimen Zwecken steht.

3. Der Sicherstellungsauftrag aus § 72 SGB 5 gibt dem Vertragsarzt keinen Anspruch auf ein bestimmtes höheres Honorar. Maßgeblich ist das Gesamtergebnis der Regelung. Die Richtigkeit jedes einzelnen Berechnungselements in einem mathematischen, statistischen oder betriebswirtschaftlichen Sinn ist daher nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der gesamten Regelung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.03.2018; Aktenzeichen B 6 KA 72/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 17. Juni  2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird (für das Berufungsverfahren) in Höhe von 5.177,79 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Mitteilung des Regelleistungsvolumens (RLV) und die Honorarabrechnung für das Quartal III/09. Im Berufungs-verfahren ist der von der Beklagten vorgenommene Konvergenzabzug nicht mehr im Streit. Die Rechtmäßigkeit der Mitteilungen des RLV und der Honorierung für die Quartale II/09 sowie IV/09 bis II/2010 sind in Parallelverfahren anhängig.

Der Kläger ist als Hausarzt mit Praxissitz in B.  zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und war im streitgegenständlichen Quartal der Arztgruppe der Fachärzte für Innere und Allgemeinmedizin, Allgemeinmedizin, Praktische Ärzte, Hausärztliche Internisten zugeordnet.

Mit Bescheid vom 4. Juni 2009teilte die Beklagte dem Kläger das RLV in Höhe von 46.080,59€ für das Quartal III/09 mit. Das RLV wurde aufgrund einer RLV-relevanten Fallzahl von 1.537,0multipliziert mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert von 34,69€ ermittelt. Dabei kam die Abstaffelungsregelung zur Anwendung. Die Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe lag bei 787,9. Demgemäß wurden 1.181,9 Fälle mit  100% zu einem arztgruppenspezifischen Fallwert von 34,69 €, 157,6 Fälle mit 75 % des arztgruppenspezifischen Fallwertes (26,02 €), 197,5 Fälle mit 50% des arztgruppenspezifischen Fallwertes (17,35 €) und keine Fälle mit 25% des arztgruppenspezifischen Fallwertes (8,67 €) eingestellt.

Gegen den Bescheid legte der Kläger am 2. März 2010 Widerspruch ein.

Das HVM-Team der Beklagten führte mit Schreiben vom 9. Juni 2009 aus, der Härtefallantrag des Klägers vom 4. Dezember 2008 für das Quartale I/2009 ff. werde abgelehnt.

Mit Bescheid vom 4. Februar 2010 erteilte die Beklagte dem Kläger die Honorarabrechnung für das Quartal III/09 über eine Honorarsumme von insgesamt 71.533,28 € (vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrages). Dabei brachte sie einen Konvergenzabschlag in Höhe von 1.782,36 € in Abzug. Die RLV-relevante Vergütung einschließlich der qualitätsgebundenen Fallwertzuschläge betrug 62.987, 59 €. Der Kläger hatte RLV-Leistungen in Höhe von 68.855,68 € abgerechnet. Die Beklagte legte ein RLV von 46.080,59 € zu Grunde und staffelte die restliche Forderung in Höhe von 22.775,09 € auf 2.548,29 € ab.

Dagegen legte der Kläger am 2. März 2010 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 4. Juni 2010 nahm die Beklagte eine Sonderausschüttung des anteiligen Konvergenzabschlages des hausärztlichen Versorgungsbereichs in Höhe von 1.208,76 € vor.

Zur Begründung seiner Widersprüche führte der Kläger zu der im Berufungs-verfahren noch streitgegenständlichen Frage aus: Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 15. Januar 2009 sei rechtswidrig, soweit abweichend von den gesetzlichen Vorgaben von § 87b Abs. 2 und 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Umsatzobergrenze ermöglicht werde. Es wäre allenfalls zulässig gewesen, mit Wirkung für die Zukunft die RLV abzusenken, um mit den daraus gewonnenen Abschlägen Praxen mit einem überdurchschnittlichen Honorarverlust zu stützen. Die Regelung sei auch deswegen rechtswidrig, weil sie eine unzulässige (echte) Rückwirkung darstelle. Sinn und Zweck der gesetzlichen Neuregelung sei, den Vertragsärzten im Zeitpunkt der Leistungserbringung Rechtssicherheit über das Vergütungssystem und dazu zu verschaffen, bis zu welcher Höhe sie eine Vergütung mit festen Punkten auf der Basis der geltenden Euro-Gebührenordnung nach § 87a Abs. 2 SGB V erhalten würden. Dieses Ziel werde unterlaufen, wenn im Nachhinein Vergütungsobergrenzen festgelegt würden, die der Arzt im Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht k...

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