Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Abgrenzung. ambulante Behandlung. stationäre Behandlung

 

Orientierungssatz

1. Der Aufenthalt eines Versicherten im Krankenhaus (hier von 7 bis 17 Uhr), verbunden mit einer zeit- und personalintensiven Betreuung des Versicherten, führt zwangsläufig keineswegs zu einer stationären Behandlung (vgl BSG vom 9.10.2001 - B 1 KR 15/00 R = SozR 3-2200 § 197 Nr 2 S 5).

2. Der Katalog der Vertragspartner über ambulant durchführbare Operationen hat eine Vermutungsfunktion dergestalt, dass regelmäßig eine ambulante Operation durchgeführt wird, wenn es sich um eine dieser Katalogleistungen handelt.

3. Eine stationäre Behandlung kann erst dann vorliegen, wenn die Behandlung lege-artis in der Praxis nicht durchgeführt werden konnte. Daraus folgt, dass der Arzt angeben muss, dass trotz der Aufnahme der Operation in den Katalog in dem speziellen Behandlungsfall die besonderen personellen und sächlichen Mittel eines Krankenhauses erforderlich waren, um nicht nur auf ambulantem Wege die Operation durchzuführen. Dabei ist der konkrete Einsatz dieser Mittel nicht zwingend notwendig; es reicht aus, dass die Mittel des Krankenhauses erforderlich sein mussten, um eingesetzt werden zu können, falls dies zwingend geboten sein sollte.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 7. Juni 2002 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat der Beklagten die Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Insoweit wird das angefochtene Urteil abgeändert.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung des Pflegesatzes für eine stationäre Behandlung gegenüber der Beklagten hat.

Der 1998 geborene bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte D S erschien am 9. März 1999 um 07.00 Uhr in der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Klägerin mit der Diagnose "Lippenspalte", nachdem am 2. - 5. März 1999 ein Lippenverschluss links in Intubationsnarkose vorgenommen worden war. Am 9. März 1999 wurde unter Sedierung mit Chloralhydrat das Nahtmaterial entfernt. Um 11.30 Uhr wurde der Versicherte wieder entlassen. Mit Rechnung vom 16. März 1999 stellte die Klägerin der Beklagten den Abteilungspflegesatz für einen Tag in Höhe von 804,95 DM und den Basispflegesatz für eine vollstationäre Behandlung für einen Tag in Höhe von 134,83 DM, insgesamt 939,78 DM in Rechnung. Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Hamburg ein und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 5. Mai 1999 mit, die durchgeführte Behandlung sei nur als nachstationäre Behandlung zu werten, daher müsse sie den Kostenübernahmeantrag für eine vollstationäre Behandlung ablehnen. Prof. Dr. H als Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Klägerin führte im Schreiben vom 18. Mai 1999 aus, in der Regel verblieben Säuglinge nach der Operation einer Lippenspalte bis zum siebten postoperativen Tag stationär in der Klinik und würden erst nach Entfernung des Nahtmaterials entlassen. Um Kosten zu sparen und die Liegezeiten der Patienten möglichst kurz zu halten, entlasse die Klinik Patienten nach einer Lippenoperation am zweiten oder dritten postoperativen Tag und nehme die Kinder für die Nahtentfernung am siebten Tag noch einmal auf. Dies erspare der Krankenkasse Kosten. Die Entfernung des Nahtmaterials erfordere eine Narkose mit Chloralhydrat, außerdem müssten EMLA-Pflaster verwendet werden, um eine schmerzfreie komplikationslose Nahtentfernung zu ermöglichen. Dies erfordere eine stationäre Aufnahme, da die Kinder eine bis eineinhalb Stunden vor dem Eingriff im Bett liegen und vorbereitet werden müssten und eine Überwachung bis zum Nachmittag erfolgen müsse. Die Beklagte holte eine weitere Stellungnahme des MDK ein und lehnte mit Schreiben vom 28. Juni 1999 den Antrag erneut ab.

Am 25. Juni 2001 hat die Klägerin beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, der Versicherte habe sich vom 1. bis 5. März und am 9. März 1999 in der Klinik befunden. Die stationäre Behandlung sei ärztlich angeordnet gewesen. Mit der Durchführung der medizinischen Behandlung sei der Kostenübernahmeanspruch des Versicherten gegenüber der Beklagten entstanden und auf sie als Leistungserbringerin übergegangen. Der abstrakte Sachleistungsanspruch des Versicherten sei durch die behandelnden Ärzte konkretisiert worden. An deren Entscheidung sei die Beklagte als Krankenversicherungsträger gebunden, sofern keine vermeidbare Fehlentscheidung vorliege, indem die behandelnden Ärzte vorausschauend hätten erkennen können, dass die Beschwerden nicht die Mittel eines Krankenhauses erforderten. Dies sei hier nicht der Fall. Die stationäre Aufnahme sei notwendig gewesen. Die Narkose mit Chloralhydrat und die zusätzliche Anwendung von EMLA-Pflastern sei durchgeführt worden, um eine schmerzfreie komplikationslose Nahtentfernung vornehmen zu können. Die Höhe des Anspruchs ergebe sich aus den...

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