Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlichkeitsprüfung. Regress wegen Verordnung des Arzneimittels Forsteo. Einzelfallprüfung

 

Orientierungssatz

Zur Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen der Verordnung des Arzneimittels Forsteo (Wirkstoff Teriparatid) im Wege einer Einzelfallprüfung.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.09.2019; Aktenzeichen B 6 KA 23/19 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. September 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 74.738,58 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen der Verordnung von Arzneimitteln im Wege einer Einzelfallprüfung. Dabei geht es um einen Schadensersatzanspruch der Beigeladenen zu 1) wegen der Verordnung des Arzneimittels Forsteo (Wirkstoff Teriparatid) in den Quartalen I/2007 bis IV/2008 durch die Klägerin.

Die Klägerin ist eine seit dem Quartal I/2007 bestehende überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft zweier Orthopäden. Ihr Mitglied Z. war von 2002 bis September 2007 im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung für orthopädische Rheumatologie mit der Zusatzbezeichnung für Osteologie tätig, vor Gründung der Klägerin in einer Einzelpraxis.

Das Arzneimittel Forsteo wurde Ende 2003 für die vertragsärztliche Versorgung zugelassen. Zu dem Wirkstoff Teriparatid des Medikamentes erließ der Gemeinsame Bundesausschuss am 21. November 2006 einen Therapiehinweis gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mit Wirkung vom 24. März 2007 (BAnz. 2007, Seite 3121). Darin ist ausgeführt, dass der Wirkstoff bis zu 35-fache Tagestherapiekosten im Vergleich zu den üblicherweise zu verordnenden Bisphosponaten verursache und seine Anwendung daher regelmäßig unwirtschaftlich sei. Unter den folgenden kumulativen Bedingungen sei die Verordnung des Wirkstoffes möglich:

1. nur bei manifester Osteoporose mit mindestens 2 neuen Frakturen in den letzten 18 Monaten und

2. kein ausreichendes Ansprechen auf eine direkte und adäquate Vorbehandlung über mindestens ein Jahr oder

3. nach Absetzen der Biophosphonatbehandlung aufgrund von Unverträglichkeiten oder

4. bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeiten gegen Raloxifen.

Zuvor gab es die S3-Leitlinie des Dachverbandes Osteologie zur „Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei Frauen ab der Menopause und bei Männern ab dem 60. Lebensjahr“, die in Abschnitt IV.4.4 den Wirkstoff Teriparatid neben weiteren Arzneimitteln für die medikamentöse Behandlung von Frauen in der Menopause und von Männern ab dem 60. Lebensjahr als geeignet ansah.

Die Beigeladene zu 1) stellte für die Quartale I/2007 bis IV/2008 Anträge auf Festsetzung eines Schadensersatzes gegenüber der Klägerin wegen der Verordnung des Arzneimittels Forsteo für mehrere namentlich benannte Versicherte (Anträge vom 07.12.2007 für I/2007, 14.03.2008 für II/2007, 07.06.2008 für III/2007, 16.09.2008 für IV/2007, 12.11.2008 für I/2008, 12.11.2008 für II/2008, 13.03.2009 für III/2008 und 15.06.2009 für IV/2008). Sie begründete die Anträge mit Verstößen gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 12 SGB V und gegen die Ziffern 3, 5 und 8 Arzneimittel-Richtlinien (AMR). Im Wesentlichen führte sie hierzu aus, Z. habe nach Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MdK) das Medikament ohne eine Osteoporose-spezifische Therapie primär eingesetzt. Die Klägerin machte hierzu wegen jedes einzelnen Versicherten fachliche Ausführungen, legte die Behandlungsunterlagen vor und stellte die verordnete Medikation dar. Die Prüfungsstelle der Vertragsärzte und Krankenkassen in Schleswig-Holstein Prüfung Verordnungen (Prüfungsstelle) setzte einen Schadensersatz in Höhe von 16.024,78 € für das Quartal I/2007 und 9.604,35 € für das Quartal II/2007 fest (Bescheide vom 12. September 2008), in Höhe von 6.377,84 € für das Quartal III/2007 (Bescheid vom 21. Juli 2009) und in Höhe von 9.575,06 € für das Quartal IV/2007, 9.629,31 € für das Quartal I/2008, 6.413,11 € für das Quartal II/2008, 8.060,50 € für das Quartal III/2008 und 10.662,03 € für das Quartal IV/2008 (Bescheid vom 1. März 2010).

Die Klägerin legte gegen die Bescheide jeweils Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 19. Mai 2011 reduzierte der Beklagte den Schadensersatz für das Quartal I/2007 auf 14.416,38 € und wies die Widersprüche im Übrigen zurück. Dabei ging er von einem Regress für das Quartal III/2008 in Höhe von 5.270,57 € aus. Im Wesentlichen führte er aus, die Schadenssummen seien rechnerisch nicht zu beanstanden. Eine Überprüfung für das Quartal IV/2007 habe ergeben, dass die Prüfungsstelle die richtigen Verkaufspreise zu Grunde gelegt und die gesetzlichen Rabatte und Zuzahlungen der Patienten berücksichtigt habe. Die Beurteilung der Verordnung des Arzneimittels richte sich nach den Therapiehinweisen des GBA und nach der Leitlinie des Dachverbandes Osteologie. Nach den Therapiehinweisen könne der Wirkstoff Teriparat...

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