Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Honorarbegrenzung. Abstaffelungsregelung. Vergleich mit entsprechender Fachgruppe (hier: Urologen). Rechtmäßigkeit des Honorareinbehalts zur Bildung von Rückstellungen. mangelnde Nachvollziehbarkeit der Berechnung eines Regelleistungsvolumens. keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots. Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten
Orientierungssatz
1. Abstaffelungsregelungen, die Punktmengen oberhalb einer bestimmten Fallzahl- oder Punktzahlobergrenze nur noch mit niedrigeren Punktwerten berücksichtigen, sind grundsätzlich zulässiges Mittel einer Honorarbegrenzung (vgl zB BSG vom 8.6.2006 - B 6 KA 25/05 R = BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr 23).
2. Es ist nicht zu beanstanden, dass ein Urologe mit der Fachgruppe der urologisch tätigen Vertragsärzte verglichen wird und dass sich sein Fallwert an dem durchschnittlichen Fallwert dieser Fachgruppe orientiert.
3. Der Einbehalt von 5 Prozent der Honorarsumme zur Bildung von Rückstellungen ist rechtmäßig.
4. Die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Berechnung eines Regelleistungsvolumens berührt nicht das Bestimmtheitsgebot nach § 33 Abs 1 SGB 10.
5. Zur Anerkennung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel
vom 17. April 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird in Höhe von 2.126,13 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Honorarabrechnung des Klägers für das Quartal I/2009.
Der Kläger ist als Arzt für Urologie in K. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Im Hinblick auf die Einführung des Vergütungssystems der RLV zum Quartal I/2009 stellte er am 4. Dezember 2008 einen Härtefallantrag, da er eine Verschlechterung seiner Vergütungssituation gegenüber den Vorquartalen in Höhe von 10 % voraussah.
Mit Bescheid vom 17. August 2009 teilte die Beklagte dem Kläger das Honorar für das Quartal I/2009 in Höhe von 86.092,13 EUR einschließlich eines Konvergenzzuschlages in Höhe von 2.126,13 EUR mit. Das Honorar im Quartal I/2008 hatte 92.601,85 EUR betragen.
Dagegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 10. September 2009 2009. Er trug vor, dass das Honorar sein Leistungsspektrum außer Acht lasse und sämtliche über Jahrzehnte hinweg entwickelte Maßstäbe für eine leistungsproportionale Honorierung missachte. Die zu der Honorarentwicklung und der Wirtschaftlichkeitsprüfung entwickelten höchstrichterlichen Grundsätze zur Verfassungsmäßigkeit der Honorierung würden im Hinblick auf eine Gleichmacherei und Durchschnittlichkeit aufgegeben. Er führte unter Bezugnahme auf seinen Widerspruch gegen die RLV(Regelleistungsvolumen)-Mitteilung für das Quartal I/2009 aus, die Honorarsumme der Vertragsärzte sei für das Jahr 2009 um 2,7 Milliarden EUR gestiegen. Für S. sei eine Erhöhung der Honorare um zunächst 3,6 %, dann 6,5 % errechnet worden. Im Durchschnitt ergebe dies einen Honorarzuwachs pro Jahr in Höhe von 13.000,00 EUR je Arzt. Tatsächlich erleide er einen Honorarverlust im Jahr 2009 gegenüber 2007 in Höhe von 2,92 % und gegenüber 2008 in Höhe von 12,02 %. Der Verlust im Quartal I/2009 gegenüber dem Quartal I/2008 betrage 9,76 %. Dies stelle einen Verstoß gegen den Vertrauensschutz und das Bestimmtheitsgebot dar. Der Fallwert sinke fortlaufend. Fallzahlzuwächse wirkten sich infolge der Berücksichtigung der Fallzahl im Vorjahresquartal erst im Folgejahr aus.
Die Berechnungsgrundlagen, insbesondere die zugrunde gelegten Fallwerte und Fallzahlen seien nicht nachvollziehbar. In dem Quartal I/2008 habe er den Gruppenfallwert um 21 % unterschritten, jedoch unter Berücksichtigung der Indexzahl und nach den absoluten Eurowerten um 8,4 % überschritten. Die Berechnung der eigenen Fallzahl und die Gruppenfallzahl ließen sich nicht nachvollziehen. Die Gruppenfallzahl für das Quartal I/2009 stimme mit den Angaben im Honorarbescheid I/2008 nicht überein. Er habe 2.226 Fälle abgerechnet, in dem RLV seien jedoch nur 1.655 Fälle zugrunde gelegt worden. Bei Annahme des Faktors 79 liege die Gruppenfallzahl für das Quartal I/2009 bei 1.244 statt 923 Fällen. Insgesamt seien für ihn bei der Bestimmung der RLV-relevanten Fallzahl 574 Fälle nicht anerkannt worden. Da das Zahlenwerk nicht nachvollziehbar sei, sei das Bestimmtheitsgebot verletzt. Ferner sei über die Quartale hinweg ein durchschnittlicher Gruppenfallwert von 25,84 EUR zugrunde gelegt worden. Dies sei nicht nachvollziehbar. Seine Honorareinbuße verstoße gegen das Verschlechterungsverbot. Er könne nicht nachvollziehen, in welcher Höhe er Honorarverluste erleide, weil die hierfür erforderlichen Angaben fehlten. Daher sei er auch nicht in der Lage einen Härtefallantrag zu stellen und zu begründen. Es könne ferner nicht sein, dass Absenkungen im Vorjahresquartal sich im Honorarquartal fortsetzten. Insgesamt sei die Fallzahl zu niedrig angesetzt. Wegen...