Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Streit über (weitere) Hautstraffungsoperationen als Sachleistungen. kein genereller "Folgenbeseitigungsanspruch" nach vorherigem bariatrischen Eingriff. Nichtvorliegen funktioneller Einschränkungen oder einer Entstellung. Genehmigungsfiktion begründet lediglich Kostenerstattungsanspruch. sozialgerichtliches Verfahren. einseitige Erledigungserklärung. Auslegung als Klagerücknahme. Beschränkung auf einen Teil des Streitgegenstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers kann in einem gerichtskostenfreien Verfahren als Klagerücknahme ausgelegt werden, die sich bei Streit um die Rechtmäßigkeit eines teilbaren Verwaltungsakts auch auf einen Teil des Streitgegenstandes beschränken kann.
2. Die nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V fingierte Leistungsgenehmigung begründet keinen Sachleistungsanspruch, sondern gewährt dem begünstigten Versicherten lediglich einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3a S 7 SGB V (BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 9/18 R = BSGE 130, 200 = SozR 4-2500 § 13 Nr 53).
3. Ein Anspruch auf Resektion von Hautweichteilüberschüssen nach vorangegangener Magenbypass-OP erfordert körperliche Funktionseinschränkungen beim Versicherten. Werden Einschränkungen der Funktionsweise der Haut angeführt, lässt sich der Behandlungsanspruch nur begründen, wenn durch die Hautüberschüsse ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen auftreten.
4. Eine den Anspruch auf Hautlappenresektion auslösende Entstellung erfordert eine objektiv erhebliche Auffälligkeit, die erwarten lässt, dass bei Mitmenschen im Hinblick auf den betroffenen Versicherten - in bekleidetem Zustand - Reaktionen wie Neugier oder Betroffenheit hervorgerufen werden, so dass der Versicherte zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, wodurch seine Teilnahme am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist.
5. Ein Anspruch auf Fettschürzenresektion lässt sich nicht - als eine Art "Folgenbeseitigungsanspruch" - schon damit begründen, dass die Hautweichteilüberschüsse infolge eines vorangegangenen, von der GKV erbrachten bariatrischen Eingriffs entstanden sind. Dies ließe außer Betracht, dass die operative Veränderung eines intakten Organs stets einer speziellen Rechtfertigung bedarf. Von dieser ist nur auszugehen, wenn der Eingriff nach Abwägung der Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention, der Risiken und des zu erwartenden Nutzens der Operation sowie etwaiger Folgekosten für die GKV angezeigt erscheint. Dies setzt eine Einzelfallbetrachtung voraus.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 11. August 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 1/5 ihrer notwendigen außergerichtlichen Auslagen im Vorverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin (weitere) Hautstraffungsoperationen als Sachleistungen zur Verfügung zu stellen.
Die ...1968 geborene Klägerin war als Mitglied der Deutschen BKK gesetzlich krankenversichert. Diese Betriebskrankenkasse fusionierte zum 1. Januar 2017 mit der seinerzeitigen Barmer GEK zur Barmer Ersatzkasse, die unter dem Namen Barmer firmiert und als deren Mitglied die Klägerin auch aktuell noch gesetzlich krankenversichert ist.
Anfang 2013 wog die 1,68 Meter große Klägerin 153 kg (BMI: 54) und unterzog sich im Februar 2013 auf Kosten der og Rechtsvorgängerin der Beklagten einer Magenbypass-Operation. Infolge dessen und durch regelmäßige sportliche Tätigkeit (Reha-Sport für Adipöse, Teilnahme am RückenFit-Programm der Deutsche BKK und Zumba Toning) sank ihr Körpergewicht auf 108 kg im Februar 2015 (BMI: 38,3).
Am 26. März 2015 beantragte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Kostenübernahme für Operationen zur Entfernung der infolge der Gewichtsreduktion entstandenen Hautweichteilüberschüsse im Bauchbereich - wobei insoweit auch eine Reparatur der bei der Klägerin gegebenen Nabelhernie erfolgen sollte -, im Gesäßbereich, im Bereich der Brust beidseitig, an beiden Oberarmen sowie an den unteren Extremitäten (an Ober- und Unterschenkeln beidseits). Die Klägerin klagte insoweit eine vor allem in den Sommermonaten auftretende entzündliche Dermatitis sowie übermäßige Schweißbildung im Bereich der Bauchfettschürze, Hautrötungen in den Unterbrustfalten, Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich durch herabhängende Brüste, Entzündungen an den aneinander reibenden Innenseiten der Oberschenkel, Rückenschmerzen aufgrund der überschüssigen, an der Körpervorderseite herabhängenden Hautüberschüsse und einen schlechten Körpergeruch aufgrund der permanenten Schweißbildung. Ihrem Antrag legte die Klägerin ein Attest ihrer Hautärztin Dr. D... vom 8. Juli 2014, einen Befundbericht des Chefarztes der Abteilun...