Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausbehandlung. Behandlungsbedürftigkeit. keine Verpflichtung der Krankenkasse zum Entwurf eines umfassenden und ganzheitlichen Behandlungs- und Pflegekonzeptes

 

Orientierungssatz

1. Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit setzt voraus, dass die Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht (vgl BSG vom 17.5.2000 - B 3 KR 33/99 R = BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1).

2. Der Gesetzeswortlaut des § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 stellt allein auf die sachliche Notwendigkeit der Krankenhauspflege ab. Aus dieser Regelung lässt sich ein weitergehender Anspruch nicht ableiten.

3. Die Regelungen der Nr 4 und Nr 5 des § 112 Abs 2 SGB 5 geben für einen weitergehenden Anspruch auf Leistungen oder Erstattungen wegen stationärer Krankenhausbehandlung nicht her (Entgegen BSG vom 13.5.2004 - B 3 KR 18/03 R = SozR 4-2500 § 39 Nr 2).

4. Eine Krankenkasse ist nicht verpflichtet, ein umfassendes und ganzheitliches Behandlungs- und Pflegekonzept für einen Versicherten zu entwerfen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 07.11.2006; Aktenzeichen B 1 KR 32/04 R)

BSG (Urteil vom 07.07.2005; Aktenzeichen B 3 KR 40/04 R)

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Kosten für eine stationäre Behandlung geltend.

Der ... 1966 geborene und ... 1998 verstorbene A H war bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Seit 1987 litt er unter einer paranoid-halluzinatorischen Psychose, wegen derer er seit 1988 mehrfach bei der Beklagten stationär behandelt wurde. Am 7. September 1994 wurde er erneut (zum sechsten Mal) bei der Beklagten stationär in der Klinik H aufgenommen. Am 25. Oktober 1995 erfolgte eine Verlegung vom Akut- in den Langzeitbereich. Die Beklagte übernahm die Kosten der Behandlung. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Schleswig-Holstein, Gutachterin Frau Dr. F, kam in dem Gutachten vom 13. Oktober 1997 zu dem Ergebnis, dass Krankenhauspflegebedürftigkeit noch bis zum 15. November bestehe. Danach sei von einem Pflegefall auszugehen. Das Krankheitsbild sei durch eine schwere Minussymptomatik bei bestehender innerer Unruhe mit zwischenzeitlichen aggressiven Impulsdurchbrüchen geprägt. Nach Aktenlage und Gesprächen mit dem Patienten und der behandelnden Ärztin müsse man von einem chronischen Verlauf der offenbar noch recht produktiven Psychose ausgehen, die in ihrer Symptomatik nur medikamentös abgemildert sei. Eine entscheidende Besserung sei nicht mehr zu erwarten. Um den Patienten weiterhin schonend auf eine Verlegung in den Pflegebereich vorzubereiten, solle eine stationäre Behandlung noch bis zum 15. November 1997 befürwortet werden. Im Hinblick auf dieses Begutachtungsergebnis teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben und dem Versicherten mit Bescheid vom 23. Oktober 1997 mit, dass die Kosten nur noch bis zum 15. November 1997 übernommen werden könnten, ab 16. November sei von einem Pflegefall auszugehen. Der Versicherte legte dagegen am 7. November 1997 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1998 zurückwies. Infolge des Todes des Versicherten wurde das dagegen eingeleitete Gerichtsverfahren bei dem Sozialgericht Kiel (S 7 KR 69/98) nicht zu Ende geführt. Die Verlängerungsanträge der Klägerin für den über den 15. November 1997 hinaus bestehenden stationären Aufenthalt des Versicherten wies die Beklagte nach Begutachtungen von Frau Dr. F zurück.

Am 2. Januar 2002 hat die Klägerin beim Sozialgericht Lübeck Klage wegen der Übernahme der Behandlungskosten für die Zeit vom 16. November 1997 bis zum 7. September 1998 in Höhe von 98.658,95 DM entsprechend 50.397,50 € erhoben und ausgeführt, ihre den Versicherten behandelnden Ärzte seien zu dem Ergebnis gekommen, dass seine Versorgung und Behandlung auch weiterhin nur mit den Mitteln eines Krankenhauses habe erfolgen können. Dies sei auch die Auffassung des Versicherten selbst gewesen, der gegen die Ablehnung der weiteren Kostenübernahme Rechtsmittel eingelegt habe. Eine Betreuung in einer adäquaten Pflegeeinrichtung, die die Beklagte für möglich halte, sei unzureichend. Die Schwere der Erkrankung des Versicherten dokumentiere auch, dass er sich selbst das Leben genommen habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der Behandlung des Patienten A H für die Zeit vom 16. November 1997 bis zum 7. September 1998 Zug um Zug gegen Hergabe einer Rechnung über die Krankenhausbehandlungskosten im Sinne des § 301 SGB V zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 25. September 2003 Beweis erhoben und als Sachverständige die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie, die Diplom-Psychologin Dr. P-B vernommen. Mit Urteil vom selben Tag hat es der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Höhe der Gesamtforderung stehe noch nicht fest, da die Klägerin noch keine Rechnung im Sinne des § 301 Sozialgesetzb...

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