Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilungsmaßstab. Einführung von Individualbudgets. kleine Praxis. Ausschluss. Honorarsteigerung
Orientierungssatz
1. Bei einer Einführung von Individualbudgets im Honorarverteilungsmaßstab (hier nach Abschaffung der Praxisbudgets im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen zum 1. Juli 2003) dürfen auch kleine Praxen mit unterdurchschnittlichem Honorarvolumen für eine Übergangszeit von vier sogenannten Startquartalen von Honorarsteigerungen ausgeschlossen werden.
2. Eine Regelung im Honorarverteilungsmaßstab, die ein Wachstum auch unterdurchschnittlich abrechnender Praxen auf Dauer nicht ausschlaggebend vom Abrechnungsverhalten des einzelnen Arztes, sondern in wesentlichem Maß von Faktoren abhängig macht, die dieser weder vorhersehen noch beeinflussen kann, verstößt gegen das Gebot, diesen kleinen Praxen ein effektives Wachstum zu ermöglichen.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. April 2007 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, die Honorarabrechnung der Klägerin für das Quartal II/04 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt zwei Drittel und die Beklagte trägt ein Drittel der Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Begrenzung des Honorars durch Individuelle Punktzahlvolumina (IPZV) für die Quartale II/04 und III/04.
Die Klägerin ist eine mit Sitz im Bereich der Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Gemeinschaftspraxis von Orthopäden. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2003 war Dr. J. aus dieser Gemeinschaftspraxis ausgeschieden. Zum 1. Januar 2004 war der bis dahin in Einzelpraxis tätige Dr. U. in die Gemeinschaftspraxis eingetreten.
Im Zusammenhang mit der Aufhebung der Regelungen zum Praxisbudget im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) mit Ablauf des Quartals II/03 führte die Beklagte im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) mit Wirkung zum 1. Juli 2003 Regelungen zur Bildung von IPZV für die meisten Arztgruppen (mit Ausnahme von Laborärzten, Pathologen, ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Vertragsärzten, Psychotherapeuten und Radiologen, vgl. § 12.3.3.b) HVM) und für den ganz überwiegenden Teil der Leistungen (Ausnahmen gelten für Leistungen des organisierten Notdienstes, die hausärztliche Grundversorgung u. a.) ein. Der mit Beschluss der Abgeordnetenversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein vom 11. Juni 2003 neu gefasste § 12.4.2. HVM sieht die Bildung sog. Startquartale von III/03 bis II/04 vor. Für die Bemessung des IPZV in diesen Startquartalen wird auf das praxisindividuelle Honorar aus dem Jahr 2002 abgestellt. Für Praxen, die in den Jahren 2001 und 2002 keinen Statuswechsel vollzogen haben, werden auch die vier Quartale des Jahres 2001 berücksichtigt. Dabei wird von dem Honorar des entsprechenden Bestquartals aus dem Jahr 2001 oder 2002 ausgegangen. Leistungen innerhalb der IPZV werden nach einem Referenzpunktwert um 4,5 Cent, überschreitende Punktzahlanforderungen (“Mehrleistungen„) mit einem flowtenden Punktwert zwischen 0,05 und 1,0 Cent vergütet. Der HVM enthält Sonderregelungen für die Bildung der IPZV in den Startquartalen und in den Folgequartalen u. a. für neu gegründete Praxen innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren nach der Gründung, nicht jedoch für bereits seit einem längeren Zeitraum bestehende unterdurchschnittlich abrechnende Praxen. Weitere Sonderregelungen enthält der HVM u. a. für den Fall des Eintritts eines zusätzlichen Arztes in eine bestehende Praxis (12.4.4.d) HVM), die Auflösung einer Gemeinschaftspraxis (12.4.4.f) HVM) sowie die Zusammenlegung von Praxen (12.4.4.g) HVM). Verschiedene Härteregelungen in § 12.4.2.d), § 12.4.4.j) und § 12.6.2 HVM geben dem Vorstand der Beklagten die Möglichkeit, IPZV neu festzulegen.
Für die Weiterentwicklung der IPZV nach Ablauf der Startquartale (sog. Folgequartale ab III/04) trifft § 12.4.3. HVM gesonderte Regelungen, nach denen sich die Weiterentwicklung im Wesentlichen nach dem Maß der Überschreitung oder Unterschreitung des IPZV und nach dem Abrechnungsverhalten der anderen Ärzte der Fachgruppe in dem entsprechenden Quartal des Vorjahres richtet. Praxen, die das IPZV (bezogen auf beide Kassenarten) um mehr als 10 % unterschreiten, erhalten für das entsprechende Quartal des Folgejahres ein um maximal 10 % reduziertes IPZV (§ 12.4.3.a)a.1) HVM). Praxen, die das IPZV überschreiten, haben die Chance, ihr IPZV im entsprechenden Quartal des Folgejahres zu erhöhen. Als “Zugewinnmenge„ für solche Zuwächse stehen 2 % der Summe der IPZV in der Arztgruppe zur Verfügung (§ 12.4.3.a)a.2) HVM). Diese Zugewinnmenge wird wie folgt verteilt: Die Praxis mit der höchsten prozentualen Überschreitung erhält 1 % Zuwachs ihres IPZV (bez...