Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitlicher Bewertungsmaßstab für vertrags(zahn)ärztliche Leistungen. Normsetzung durch Vertrag. gerichtliche Überprüfung. Ungleichbehandlung von Laborpraxen durch Begrenzung des Zuschlags zum Honorar auf Gesamtsumme von 6200 Euro

 

Orientierungssatz

1. Bei den von den Bewertungsausschüssen vereinbarten Einheitlichen Bewertungsmaßstäben handelt es sich um Normsetzung durch Vertrag (vgl BSG vom 9.12.2004 - B 6 KA 44/03 R = BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr 2). Sie sind wegen ihrer spezifischen Struktur und der Art ihres Zustandekommens nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung zugänglich.

2. Laborarztpraxen mit Kosten bei den speziellen Laboruntersuchungen (Kap O Abschn III EBM-Ä) von 6.200.000,00 DM oder mehr wurden in den Quartalen I-III/2000 gegenüber Arztpraxen mit einer geringeren Honorarsumme aus dem Kap O Abschn III EBM-Ä insofern ungleich behandelt, als ihnen der prozentuale Aufschlag in Höhe von 24 % nach der Präambel zu Kap O Abschn III EBM-Ä nicht zustehen sollte.

3. Soweit eine Kassenärztliche Vereinigung geltend macht, dass die Begrenzung auf eine auszuzahlende Gesamtsumme in Kap O Abschn III EBM-Ä der Förderung der wohnortnahen Laborarztpraxen dienen würde, liegt darin keine sachliche Rechtfertigung für die ungleiche Behandlung.

4. Die Begrenzung des Zuschlags auf Praxen mit einer auszuzahlenden Gesamtsumme aus dem Kap O Abschn III EBM-Ä von 6.200.000,00 DM lässt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Abschöpfung der durch Serienlängen bedingten Synergieeffekte rechtfertigen.

5. Die Ungleichbehandlung großer Laborpraxen lässt sich auch nicht mit der Begründung rechtfertigen, dass es sich bei dem in der Präambel zum Kap O Abschn III EBM-Ä geregelten Zuschlag von 24 % um eine Anfangs- und Übergangsregelung handelt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.05.2007; Aktenzeichen B 6 KA 2/06 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. März 2004 sowie die Bescheide der Beklagten vom 31. Juli 2000 und vom 13. Oktober 2000 (Quartal I/00), vom 13. Oktober 2000 (Quartal II/00) und vom 12. Januar 2001 (Quartal III/00) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin wegen ihrer Honorarforderungen für die Quartale I/00, II/00 und III/00 nach Änderung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für vertragsärztliche Leistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Klägerin und die Beklagte haben einander jeweils die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten für das gesamte Verfahren zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Klägerin für die Quartale I/00 bis III/00 Anspruch auf einen Zuschlag von 24% zur Vergütung für die erbrachten speziellen Laborleistungen nach dem Abschnitt O III des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) hat.

Die Klägerin war in den Jahren 1999 und 2000 eine Gemeinschaftspraxis bestehend aus Ärzten für Labormedizin in der Form einer BGB-Gesellschaft, die im Zuständigkeitsbereich der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen waren.

Der Bewertungsausschuss hatte mit Wirkung zum 1. Juli 1999 das Kapitel O (Laborleistungen) des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) grundlegend umgestaltet. Mit der Reform war u.a. ein Rückgang der Leistungsmenge bei den speziellen Laboratoriumsuntersuchungen (Kapitel O III) angestrebt worden. Nach einer ersten Auswertung der Auswirkungen der Reform war mit Beschluss des Bewertungsausschusses vom 16. Februar 2000 (Deutsches Ärzteblatt 2000, C-452) mit Wirkung zum 1. Januar 2000 in die Präambel zum Abschnitt O III des EBM-Ä folgende Regelung aufgenommen worden:

“Die Leistungen des vertraglichen Anhangs zu diesem Abschnitt unterliegen einer Staffelung je Arztpraxis (Abrechnungsnummer) in Abhängigkeit von der im Quartal erbrachten Anzahl an Leistungen nach dem vertraglichen Anhang zu Abschnitt O III. Rechnet die Arztpraxis bis zu höchstens 450 000 Leistungen nach dem vertraglichen Anhang zum Abschnitt O III. im Quartal ab, wird die Vergütung in DM der Summe der abgerechneten Kosten des vertraglichen Anhangs zu Abschnitt O III zuzüglich eines prozentualen Aufschlages in Höhe von 24 Prozent zur Summe der Kosten, jedoch höchstens bis zu einer auszuzahlenden Gesamtsumme von 6 200 000 DM, die sich aus dem zum Zeitpunkt der Auszahlung anerkannten Leistungsbedarf der Praxis ergibt, berechnet. Rechnet die Arztpraxis mehr als 450 000 Leistungen nach dem vertraglichen Anhang zu Abschnitt O III. im Quartal ab, gilt die vorgenannte Regelung nicht, sondern die Vergütung in DM der darüber hinaus abgerechneten Kosten des vertraglichen Anhangs zu Abschnitt O III wird um 20 Prozent vermindert. Sofern ein Höchstwert zu berechnen ist, zählen die dem Höchstwert zugrunde liegenden Leistungen hinsichtlich der Abstaffelung insgesam...

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