Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Vergütung. Epikutantestungen. Mengenbegrenzung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Bei der Gebührennummer 345 handelt es sich nicht um eine Abstaffelungsregelung. Sie enthält vielmehr eine reine Mengenbegrenzung, indem sie bestimmt, daß lediglich 30 Testungen je Behandlungsfall vergütet werden.
2. Die Gebührennummer 345 des EBM in den Quartalen I und II/96 hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung, die sich am Mißbrauchsverbot orientiert, nicht stand.
Nachgehend
Tatbestand
In dem Rechtsstreit geht es (nur noch) um die Frage, ob der Kläger berechtigt ist, pro Behandlungsfall mehr als 30 Epikutantestungen (Nr. 345 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes -- EBM) abzurechnen.
Der Kläger ist Allergologe und Hautarzt. Am 23. September 1996 widersprach er seiner Honorarabrechnung für das Abrechnungsquartal I/96, die am 2. September 1996 abgesandt war, und bat um Angabe aller Kürzungen des Honorars. Vorangegangen war ein Schreiben der Beklagten vom 1. Juli 1996, in dem diese u.a. ausgeführt hatte, daß der Kläger in mehreren Fällen die Gebührenordnungsnummer 345 mehr als 30-mal im Behandlungsfall abgerechnet habe; infolgedessen sei die Gebührenordnungsposition 5.226-mal unberücksichtigt geblieben. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1996 zurück und führte aus, der Kläger sei über die Honorarkürzungen unterrichtet worden, desgleichen über die Auswirkungen der rückwirkenden Budgetierung und evtl. Ergebnisse von Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Klage, die der Kläger am 27. November 1996 beim Sozialgericht Kiel erhoben hat (Az.: S 14 Ka 338/96).
Mit Widerspruch vom 6. November 1996 wandte der Kläger sich gegen die Honorarabrechnung für das Quartal II/96, die am 17. Oktober 1996 abgesandt war, und führte zur Begründung aus, sämtliche erbrachten Allergietestungen seien medizinisch notwendig gewesen. In diesem Quartal war die Gebührenordnungsnummer 345 insgesamt 622-mal nicht vergütet worden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1997 zurück; sie führte hinsichtlich der Gebührenordnungsposition 345 aus, diese dürfe je Behandlungsfall nur 30-mal für Epikutantestungen abgerechnet werden. Der EBM sehe keine Ausnahmeregelung vor, daher sei es unerheblich, ob aus medizinischen Gründen weitere Tests erforderlich gewesen seien. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 3. Dezember 1997 beim Sozialgericht Kiel Klage erhoben (Az.: S 14 Ka 415/97).
Das Sozialgericht hat mit Beschluß vom 15. Dezember 1997 das Verfahren hinsichtlich der rückwirkenden Budgetierung der Gesprächsleistungen sowie hinsichtlich der Gebührennummern 351 und 2.151 des EBM, die gleichfalls im Streit waren, abgetrennt. Mit weiterem Beschluß vom 13. März 1998 hat es beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidungsfindung verbunden.
Zur Begründung der Klagen hat der Kläger ausgeführt, die von ihm erbrachten Epikutantestungen seien medizinisch notwendig gewesen. Dem EBM-Normgeber habe eine gesetzliche Ermächtigung für die Begrenzungsregelung gefehlt. § 87 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) stelle keine Ermächtigungsgrundlage dar. Der Bewertungsausschuß habe zwar bei der Regelung der ärztlichen Leistungen einen weiten Gestaltungsspielraum, der jedoch nicht mißbräuchlich ausgeübt werden dürfe. Regelungen, die eine Modifikation der Leistungs- und Vergütungsstrukturen über das Anpassungsgebot des § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V hinaus beinhalteten, bedürften einer sachlichen Legitimation und gesetzlichen Grundlage. Die Gebührenordnungsnummer 345 sei eine reine Mengenbegrenzung und stelle keinen Leistungskomplex dar, daher sei die Ermächtigungsgrundlage des § 87 Abs. 2 a Satz 1 SGB V hier nicht einschlägig. Ein Ausgleich zwischen Fällen mit geringem Aufwand und solchen mit einem hohen Aufwand könne nicht vorgenommen werden, vielmehr werde bereits in jedem Behandlungsfall die 31. Leistung nicht mehr vergütet. Die Gebührennummer 345 sei daher nach ihrem Wortlaut keine Pauschalregelung, bei der die weiteren Tests als mit abgegolten anzusehen seien. Sie sei auch keine Budgetregelung, da nicht ein Höchstbetrag, sondern die Grenze der berechnungsfähigen Leistungen festgelegt werde. Damit würden auch medizinisch notwendige Leistungen nicht vergütet. Der Bewertungsausschuß begrenze mit einer derartigen Regelung den Anspruch der Versicherten auf diese Leistungen. Das sei mit § 72 Abs. 2 SGB V unvereinbar. Eine derartige Regelung falle in die notwendige Kompetenz des Gesetzgebers, nicht aber in die der Selbstverwaltung der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch § 87 Abs. 2a Satz 8 SGB V sei als Ermächtigungsgrundlage für eine derartige Regelung nicht heranzuziehen, denn die Vorschrift sei erst am 1. Juli 1997 in Kraft getreten. Da die Begren...