Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütungsanspruch eines Krankenhauses für eine Krankenhausbehandlung. Abgrenzung von stationärer und ambulanter Behandlung
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn sich die Behandlung zeitlich nach dem Behandlungsplan der Krankenhausärzte in der Vorschau bei Aufnahme des Patienten nicht über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckte und diese auch nicht auf einer Intensivstation stattfand, folgt daraus nicht zwingend im Gegenschluss, dass es sich um eine ambulante Behandlung handelt. Bei der Abgrenzung einer nicht operativen stationären von einer ambulanten Behandlung kommt es entscheidend darauf an, in welchem Umfang neben der Dauer der Behandlung die Infrastruktur des Krankenhauses in Anspruch genommen wird. Eine vollständige Eingliederung eines Patienten in einem Krankenhausbetrieb liegt jedenfalls dann vor, wenn dieser an einer schweren Grunderkrankung leidet, die üblicherweise von Spezialisten behandelt wird, sich in einem potentiell lebensbedrohenden Zustand befindet, über mehrere Stunden durch das Krankenhauspersonal überwacht wird und nur eine sofortige Laboruntersuchung zur Klärung der Diagnose und des weiteren Vorgehens beitragen kann.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. März 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 1.287,57 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung hat.
Die Klägerin behandelte die 1931 geborene und bei der Beklagten versicherte I. E. am 25. Juni 2005.
Auf die Rechnung der Klägerin in Höhe von 1.287,57 EUR vom 13. Juli 2005 antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juli 2005, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 3 KR 4/03 R) es ihr nicht möglich mache, die Leistung als stationäre Behandlung zu vergüten.
Die Klägerin antwortete darauf mit Schreiben vom 21. Juli 2005, dass es ihr wegen der personellen Ausstattung nicht mehr möglich sei, die stark anwachsende Anzahl der Anfragen der Kostenträger zeitgerecht zu bearbeiten. Vorrangig würden Fälle vor 2005 bearbeitet. Sie werde auf das Anliegen unaufgefordert zurückkommen.
Die Klägerin hat dann am 7. Juni 2007 Klage vor dem Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass eine von ihr so genannte „primäre Vergütungspflicht“ der Beklagten bestehe. Da sie ihre Ansprüche formal ordnungsgemäß abgerechnet habe, sei die Beklagte unmittelbar zur Zahlung verpflichtet gewesen. Diese könne sich nicht mit Beanstandungen sachlicher Art verteidigen. Einwendungen gegen die Vergütungsforderung seien ausgeschlossen. Die landesvertraglichen Regelungen seien entsprechend auszulegen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 1.287,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 28. Juli 2005 zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass die medizinische Notwendigkeit für die stationäre Behandlung aus den ihr übermittelten Daten nicht erkennbar gewesen sei. Die Klägerin habe weder einen Arzt- noch einen Entlassungsbericht übersandt.
Das Sozialgericht hat ein medizinisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K., Direktor der Abteilung Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät der G.-A.-Universität Ga., vom 20. Oktober 2009 zu den Gesundheitsstörungen der Versicherten am 25. Juni 2005 sowie zu der Art der Krankenhausbehandlung und deren Notwendigkeit eingeholt.
Mit Urteil vom 17. März 2010 hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.287,57 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 28. Juli 2005 zu zahlen.
Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin ihren Zahlungsanspruch nicht schon allein aus einer von ihr so genannten „primären Vergütungspflicht“ herleiten könne. Die Beklagte habe jedoch inhaltlich zu Unrecht die Vergütung der von der Klägerin geltend gemachten Behandlung als stationäre Krankenhausbehandlung abgelehnt. Bei der Versicherten sei es zu Einblutungen in die Haut (Petechien/Purpura) infolge eines Mangels an Blutplättchen (Thrombozytopenie) gekommen. Der Mangel sei primär durch eine akute myeloische Leukämie mit Störung der Bildung von roten Blutkörperchen und Blutplättchen bedingt. Sekundär sei es zu einer immunologischen Zerstörung der kurz vorher in Ka. übertragenen Blutplättchen durch Bildung von plättchenspezifischen Antikörpern gekommen. Die akute myeloische Leukämie (AML) sei eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Im Rahmen dieser Erkrankung könne es durch Zerstörung des blutbildenden Knochenmarks zur Verminderung bestimmter oder aller Blutzellen kommen. Eine Verminderung der Blutplättchen in einem bestimmten stärkeren Umf...